Der Junge mit dem Herz aus Holz
herumstehen und plaudern. Ich hoffe, dass ich zu meinem Komitee zurückgehen und den Mitgliedern sagen kann, dass du bereit bist teilzunehmen? Das wäre eine große Ehre für uns.«
»Ich möchte es sehr gern«, sagte ich und strahlte über das ganze Gesicht.
»Aber die Schule!«, rief Poppa verzweifelt. »Der Unterricht!«
»Ach, in dem Punkt brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, sagte Mr Quaker und klopfte dreimal hintereinander mit dem Stock auf den Boden, so schnell, dass ich ihn verwundert anstarrte, weil ich dachte, er würde gleich ein Zauberkunststück vorführen. »Wir stellen immer automatisch für je hundert Minderjährige eine qualifizierte Lehrkraft ein, damit die Kinder unterrichtet werden. Die Schulbildung unserer jungen Sportler nehmen wir sehr ernst.«
»Und wie viele Jungen werden zu diesen Spielen fahren?«, fragte Poppa skeptisch. »Sind noch andere Kinder in diesem Alter dabei?«
»Nein, nur Ihr Sohn«, verkündete Mr Quaker stolz. »Das heißt, wir brauchen gar keinen Lehrer und können uns die Kosten sparen, wodurch wir keinen Penny Ihrer sauer verdienten Steuergelder verprassen, Sir.« Er schlug mit der Faust auf die Theke. »Wir gewinnen alle etwas bei diesem Szenario, Sir – stimmt’s?«
Poppa schüttelte seufzend den Kopf. »Möchtest du wirklich gehen?«, fragte er mich, während ich eine schwungvolle Runde Freiübungen hinlegte.
»Ja, natürlich!«, rief ich.
»Und du versprichst mir, dass du zurückkommst?«
»Letztes Mal bin ich zurückgekommen, stimmt’s?«
»Du versprichst es mir?«, wiederholte Poppa.
»Ich verspreche es.«
»Also gut. Wenn es wirklich dein Herzenswunsch ist, dann werde ich dir nicht im Wege stehen. Du musst gehen.«
Zur allgemeinen Verwunderung war ich der erste Sportler, der beim Hundertmeterlauf, beim Zweihundertmeterlauf, bei vierhundert Metern, bei achthundert Metern, bei eintausendfünfhundert Metern, bei fünftausend Metern und bei zehntausend Metern Gold gewann. Alle Medaillen bei denselben Olympischen Spielen. Ich holte auch noch die Silbermedaille über vierhundert Meter Hürden, aber ich war so enttäuscht von meinem vergleichsweise schlechten Abschneiden, dass ich es nie wieder erwähnt habe, bis heute, und der Lauf wurde sofort aus meiner offiziellen Biographie getilgt. Und ich war auch der erste Olympiakämpfer, der die Vier-mal-vierhundert-Meter-Staffel ganz allein gewann, mit Hilfe einer hochkomplizierten Stabübergabetechnik, die augenblicklich legendär wurde.
Niemand konnte schneller laufen als ich. So war das eben.
Als die Olympischen Spiele vorüber waren, fiel mir das Versprechen ein, das ich Poppa gegeben hatte. Ich wusste, dass es höchste Zeit für mich war, nach Hause zu gehen, aber genau da trafen die spannenden Angebote ein.
In Japan wollte der Kaiser den Jungen sehen, der Japans Spitzensportler, Hachiro Tottori-Gifu, geschlagen und ihm bei den Olympischen Spielen sämtliche Medaillen weggeschnappt hatte. Ich rannte quer durch Europa, nach Russland, dann durch Kasachstan, durch China und rüber nach Tokio, wo ich ein paar Runden um die Kaiserstadt drehte, für den Himmlischen Herrscher über den Wolken. Sein eigener Sohn, der Kronprinz, forderte mich zu einem Wettkampf heraus und war mir zwar meilenweit unterlegen, aber ich zeigte genug Großmut, nicht mit einem allzu großen Vorsprung zu gewinnen. Die Japaner zahlten immerhin für meine Unterkunft und für alle meine Unkosten.
»Herzlichen Dank«, rief ich anschließend der jubelnden Menge zu. »Doch jetzt muss ich leider los, weil ich ein Versprechen gegeben habe.«
Aber stattdessen ging ich nach Südamerika, wo mich eine Gruppe von Freiheitskämpfern eingeladen hatte, an ihrem Legt-die-Waffen-nieder-Tag teilzunehmen, der zweimal im Jahr stattfand. An dieser Feier beteiligten sich alle, die bei einer bestimmten politischen Auseinandersetzung auf entgegengesetzten Seiten standen. Sie kamen für vierundzwanzig Stunden zusammen und veranstalteten eine Art Talentshow. Dabei legten sie großen Wert darauf, jedes Jahr einen internationalen Gast einzuladen, und dieses Jahr war ich an der Reihe. »Du denkst, du bist sehr schnell, stimmt’s?«, fragte ein General und paffte an seiner Zigarre, nachdem er gesehen hatte, wie ich in Rekordzeit durch den Urwald gerannt war. »Du denkst, du bist ein großer, kluger Junge.« Irgendwie schien ihn meine Anwesenheit zu ärgern, obwohl er doch derjenige war, der mich eingeladen hatte.
»Das stimmt, Sir«, antwortete ich und
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