Der Junge mit den blauen Haaren
gemeinsam unterrichtet werden, und zwar von Mr. Summerfield.
Bliebe noch Miss Viola. „Miss Viola ist noch nicht allzu lange da“, plappert Greg auch schon los, als hätte er meine Gedanken gelesen, „daher hätte ich sie ja beinahe vergessen.“
„Als ob das möglich wäre“, kommentiert Tiger trocken und verdreht träumerisch die Augen.
Oh ooh
Greg wird tatsächlich puterrot. „Naja“, druckst er herum, „sie sieht ja wirklich rattenscharf aus, oder? Kay, wurdest du nicht gestern von ihr empfangen?“
Ich lege meinen Löffel beiseite und drehe mich in seine Richtung.
Das interessiert mich doch jetzt auch … und zwar ganz gewaltig.
„Ja“, sagt Kay. Sonst nichts. Kein Kommentar. Keine verräterische Mimik. Nichts.
Was soll ich davon denn jetzt halten?
Da wirklich nichts mehr kommt, frage ich Greg: „Und was unterrichtet Miss Viola?“
„Latein und Sport.“
„Was ist das denn für eine ulkige Konstellation?“
Greg zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ist mir auch egal. Aber sie sieht verdammt heiß aus in ihrem Sportdress.“
Daniel und Tiger grinsen, Miriam, Rheena und ich kneifen die Augen zusammen und Kay … sieht absolut uninteressiert aus.
Mrs. McMillan scheint heute besser drauf zu sein, als gestern. Immerhin begrüßt sie uns mit einem Lächeln und weist uns an, auf einem kleinen Ledersofa Platz zu nehmen, während sie sich hinter ihrem Schreibtisch verschanzt.
„Wie war Ihre erste Nacht?“, fragt sie höflich.
„Danke, ich habe gut geschlafen“, antworte ich und Kay nickt zustimmend. „Ich habe ebenfalls eine gute Nacht gehabt“, sagt er.
Als es klopft, ruft Mrs. McMillan freudig aus: „Ah, das ist Miss Viola. Kommen Sie herein, meine Liebe!“
Die Türe öffnet sich … und mein Mund tut es ihr gleich.
Diese Frau soll eine Lehrerin sein?
Aus den Augenwinkeln schiele ich zu Kay, doch noch immer ist keine Reaktion zu erkennen.
Entweder hat er sich so sehr in der Gewalt, oder sie interessiert ihn wirklich nicht.
Letzteres kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Miss Viola sieht keinen Tag älter aus als Anfang zwanzig. Sie hat ihre hellblonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und trägt einen Jogginganzug. Wahrscheinlich beginnt gleich der Sportunterricht. Trotz des bequem wirkenden Anzugs kann man ihre Figur erkennen. Und die ist der Wahnsinn.
Da, wo bei mir noch einige Ecken und Kanten sind, was auch meinem nicht vorhandenen Appetit geschuldet ist, hat Miss Viola wunderbare Kurven.
Irre ich mich, oder sieht sie für einen winzigen Augenblick verstört aus?
„Hallo, guten Morgen!“, unterbricht Miss Viola meine Bestandsaufnahme und ich schließe endlich meinen Mund. Nur um ihn gleich wieder zu öffnen und den Gruß zu erwidern.
Sie sieht wirklich nett aus, aber irgendetwas in mir möchte sie eigentlich nicht mögen.
Sei nicht albern, Kim. Sie ist eine Lehrerin. Du wirst doch nicht eifersüchtig auf sie sein.
„Kay, wir haben uns ja gestern schon ein wenig unterhalten“, lächelt sie ihn an, - sind da Fragezeichen in ihren Augen? - um mir Sekunden später das gleiche nette Lächeln zu schenken. „Kim, ich freue mich, auch Sie endlich kennenzulernen.“
Ich nicke. Unhöflich, ich weiß, aber ich kann nicht anders.
Dann sehe ich ein winziges Grinsen in Kays Gesicht und meine versteinerte Miene lockert sich augenblicklich auf.
Mistkerl!
„Ich freue mich auch“, stammele ich und spüre, wie Kay sanft meine Hand drückt.
Süßer Mistkerl!
Miss Viola wendet sich an Mrs. McMillan. „Die Lehrpläne, Mrs. McMillan. Ich hoffe, sie sind übersichtlich genug.“
„Das sind sie ganz bestimmt“, flötet Mrs. McMillan, „bisher hatte ich noch keinen Grund, irgendetwas zu beanstanden, Miss Viola.“
Was war das denn eben?
Kay und ich werfen uns einen kurzen Blick zu.
Die Direktorin räuspert sich und wendet sich an uns.
„Ich habe nach eingehender Durchsicht ihrer Unterlagen festgestellt, dass Sie beide auf demselben Wissens- und Leistungsstand sind. Daher sind Sie beide in allen Fächern in denselben Kursen, will heißen, bei den Fortgeschrittenen. Ich denke, auch für Sie beide ist es von Vorteil, da Sie ja neu hier sind. So fällt Ihnen die Eingliederung sicher leichter.“
„Das ist wirklich ideal“, sagt Kay mit einer Nonchalance, die selbst Mrs. McMillan überrascht. Sie schenkt ihm ein zuckersüßes Lächeln.
„Darf ich mich verabschieden?“, fragt Miss Viola, „mein Unterricht hat bereits begonnen.“
„Selbstverständlich, meine Liebe,
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