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Der Junge mit den blauen Haaren

Der Junge mit den blauen Haaren

Titel: Der Junge mit den blauen Haaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Loesel
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auch, Kleines!“
Bevor ich mich von seiner Offenbarung erholen kann, öffnet er die Türe und in den nächsten Stunden verfolge ich so aufmerksam den Unterricht, als gelte es, den Jugend forscht-Wettbewerb zu gewinnen.
***
Die Mittagspause verbringen wir wieder mit unseren neuen Freunden … und Miriam, die ich zu dieser elitären Clique definitiv nicht dazu zähle.
Lediglich in Geschichte, Musik und Englisch ist sie mit Kay und mir in einer Klasse – hier gibt es den bereits erwähnten Sammelunterricht -, während Rheena – und selbstverständlich Greg – alle Fortgeschrittenen-Kurse gemeinsam mit uns belegen.
In den meisten Fächern variieren die Schüler, aber wir sind niemals mehr als acht Schüler bzw. Schülerinnen. Also sollte es mir eigentlich leicht fallen, mir die Namen meiner neuen Schulkameraden zu merken. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.
Sandra … Samuel … Belinda … Scott …
Die Namen, wie auch die dazugehörigen Personen, sind Schall und Rauch.
Während es mir in Physik und Mathe noch gelungen ist, dem Unterricht meine höchste Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, gelingt mir das in Geschichte nicht mehr ganz.
Okay, um der Wahrheit Genüge zu tun – es misslingt mir auf der ganzen Linie.
    Den Grund hierfür will ich mir zunächst nicht eingestehen, doch nachdem sich das Ganze in der Mittagspause fortsetzt, nenne ich das Übel einfach bei seinem Namen: Miriam!
Als mir Rheena im Geschichtsraum einen kurzen Abriss dessen gibt, was im Moment Gegenstand des Unterrichts ist und sie mir die Arbeiten zeigt, die eine der mintgrün gestrichenen Wände zieren, flitzt Miriam mit einer Geschwindigkeit, die ich ihr überhaupt nicht zugetraut hätte, auf den Platz neben Kay. Als hätte sie sozusagen bereits in den Startlöchern gestanden und auf eine günstige Gelegenheit gewartet.
Zumindest glaube ich das, denn ich habe es nicht mal mitbekommen, weil ich zu fasziniert bin von den wirklich wunderbaren Aufsätzen, die ich gerade oberflächlich studiere.
Lediglich Rheena, die scharf die Luft einsaugt und ihre Augen zu Schlitzen verengt, lässt mich einen Blick auf den Platz werfen, den ich irgendwie schon als den meinen betrachte.
„Willst du neben mir sitzen?“, fragt Rheena mit vor Wut bebender Stimme. Sie ist bemüht, die Ruhe zu bewahren.
Und ich habe ganz gewiss nicht vor, den Aufstand zu proben.
Als ich gerade antworten will, sehe ich Kay, der in Miriams Richtung den Kopf schüttelt. Dann deutet er mit einem Finger in meine Richtung und sein eben noch verkniffenes Gesicht beginnt zu strahlen, als unsere Blicke sich begegnen. Die Erleichterung in meinem Gesicht ist auch von Rheena nicht unbemerkt geblieben.
„Du bist ein Glückspilz, Kim“, lächelt sie und ihre Augen schimmern.
Tränen? Warum? „Glaubst du?“, frage ich leise und Rheena nickt.
Leider können wir unser tiefsinniges Gespräch nicht fortführen, da Mr. Summerfield, ein kahlköpfiger Mittfünfziger die Arena betritt. Er schiebt einen imposanten Bauch vor sich her und nimmt Aufstellung hinter seinem Pult. Beide Daumen hat er in grell rot und grün karierte Hosenträger versenkt und wippt sekundenlang auf seinen Füßen hin und her. Ferse – Fußspitze – Ferse – Fußspitze …
Dann zieht er seine Hosenträger ungefähr 30 cm nach vorne, entfernt seine Daumen und mit einem grässlichen Platschen landen die Gummiteile auf seiner beachtlichen Trommel, die wahrhaftig ein leichtes Nachbeben andeutet.
Ich befinde mich in einem Zustand faszinierten Entsetzens, doch Rheena lacht. Sie scheint das zu kennen.
Aufmunternd schiebt sie mich zum Tisch, an dem Kay hockt, und Miriam noch immer keine Anstalten macht, ihren eroberten Platz zu verlassen. Vermutlich wird sie den Stuhl mit dem sprichwörtlichen Messer zwischen den Zähnen verteidigen …
Unsicher sehe ich nach, ob sie ihre Krallen bereits im Tisch verankert hat.
„Miriam, würden Sie die überaus große Güte besitzen, Ihren angestammten Platz einzunehmen, damit Miss Pattson sich endlich auf ihren vier Buchstaben niederlassen kann und dem Beginn unseres Unterrichts nichts mehr im Wege steht?“
Mr. Summerfields Stimme trieft vor falscher Höflichkeit.
Gekichere erfüllt den Raum. Nur ich stehe wie angewurzelt da und weiß, dass mein Gesicht sich nicht entscheiden kann, ob ihm kalkweiß oder kirschrot besser steht.
Miriam wirft mir einen hasserfüllten Blick zu, letztendlich erhebt sie sich schnaubend und geht zu ihrem Platz neben … keine Ahnung. Ich weiß nicht mehr, wie das

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