Der Junge mit den blauen Haaren
wissen.
Immerhin brauchen sie sich bei uns nicht zu verstellen. Was sie weidlich ausnutzen!
Nachdem die beiden also verschwunden sind, gebe ich vor, müde zu sein.
„Ich bin vermutlich zu enttäuscht, dass es mit unserem Ausflug nicht geklappt hat“, sage ich leise, „bitte, sei nicht böse, aber ich möchte gerne schlafen.“
In Wahrheit habe ich mir vorgenommen, heute Abend auf meinen Tee zu verzichten und wieder einmal zu wunschträumen.
Verständnisvoll nickt Kay und steht auf.
„Ich wünsche dir eine gute Nacht, Kim“, sagt er und bläst mir einen Luftkuss zu.
„Dir auch, Kay. Schlaf gut!“
Wir erledigen getrennt voneinander unser Pflegeprogramm und wenig später schlüpfe ich unter die Bettdecke … bereit zum träumen.
Und da kommt er auch schon …
Obwohl die Dämmerung bereits hereingebrochen ist, erkenne ich Kay schon an seinem Raubkatzen-geschmeidigen Gang. Zielstrebig nähert er sich mir.
Wie letztes Mal warte ich unter dem Mandarinenbaum auf ihn.
„Hi“, sagt er leise und lässt sich neben mir nieder.
„Hi du“, erwidere ich und schaffe es einfach nicht, ihn nich t anzustarren.
Kay nimmt meine Hand und wir lassen uns nach hinten sinken.
Eine Zeit lang liegen wir einfach nur mit geschlossenen Augen nebeneinander und lauschen dem Zirpen der Grillen.
Die Nacht ist schon hereingebrochen, aber es ist angenehm warm und Kay, der so dicht neben mir liegt, wärmt mich noch zusätzlich.
Stundenlang könnte ich einfach so liegen bleiben und seine Nähe genießen.
„Kim?“
Kay spricht leise, doch ich zucke zusammen, was darauf hindeutet, dass ich beinahe eingeschlafen wäre.
Was ist das denn bitte für ein Blödsinn? Ich schlafe in meinem Traum? „Ich möchte dir gerne etwas zeigen.“
Ich runzele die Stirn. Irgendetwas an diesem Traum ist anders. Aber ich komm‘ nicht drauf.
„Kim?“
„Oh, ähm … was?“
„Darf ich dir etwas zeigen?“ Kay gluckst leise vor unterdrücktem Lachen.
Ich schlage die Augen auf und sehe in sein lausbubenhaftes Gesicht. Sofort muss auch ich grinsen.
„Ja, klar. Warum nicht?“, murmele ich und ergreife seine ausgestreckte Hand.
Kay zieht mich hoch. Hand in Hand gehen wir einige Schritte … und stehen im nächsten Moment vor …
„Die Niagarafälle?“, keuche ich, als ich die riesigen Wassermassen erkenne, die sich von den Felsen stürzen.
Mein Herz beginnt zu rasen, doch das liegt nicht nur an dem imposanten Bild, das sich mir bietet.
Nein!
Jetzt bin ich mir sicher, dass an meinem Traum etwas nicht stimmt.
Ich bin nämlich lediglich in der Lage, mich im Traum an Orte zu versetzen, die zwar mithilfe meiner Phantasie hin und wieder etwas abgewandelt werden, die ich aber zumindest einmal gesehen haben muss. So wie etwa unsere Zitrus-Lichtung. Oder mein gemütlich eingerichtetes Zimmer zuhause.
Was ich definitiv nicht kann, ist, mich an Orte zu begeben, die ich noch niemals in Wirklichkeit gesehen habe.
Ich zittere und Kay, der hinter mir steht, zieht mich sofort zu sich heran und nimmt mich in seine Arme. Er legt sein Kinn auf meinen Kopf.
„Gefällt‘s dir?“
„Ich … äh … oh, es … es ist … atemberaubend schön, Kay“, flüsterte ich.
Egal, was auch immer es ist, wie viele Fragen ich auch gerade habe. Es muss warten, bis ich wach bin.
Der Anblick ist wirklich so unglaublich schön, dass ich ihn einfach nur genießen möchte.
„Du hast mir einmal erzählt, dass du sie gerne einmal sehen möchtest.“
Ich versteife mich in seinen Armen. Ja, das habe ich … und jetzt stehe ich hier. Mit dir. Dem einzigen Menschen, dem ich je davon erzählt habe. Kay spürt sofort, dass etwas nicht stimmt. Er dreht mich in seinen Armen, so dass die riesigen Wasserfälle jetzt nur noch dröhnend in meinen Ohren rauschen.
Aber es ist sein Gesicht, in das ich sehe.
„Stimmt was nicht?“, fragt er und auf seiner Stirn bilden sich kleine Sorgenfalten.
„Nein“, beeile ich mich, zu antworten, „es ist nur … ich bin überwältigt.“
Wäre Kay so wie ich, wüsste er sofort, dass ich lüge. Wobei, eigentlich lüge ich ja gar nicht. Ich bin tatsächlich hin und weg.
Kay küsst mich leicht auf die Stirn und dreht mich wieder sanft in Richtung der tosenden Wassermassen, deren Anblick wir beide alleine genießen dürfen.
Das ist das Schöne an Träumen. Man hat immer nur genau so viel Gesellschaft, wie man will.
„Genug gesehen?“, fragt Kay und knabbert an meinem Ohrläppchen.
„Noch lange nicht“, kichere ich, „aber wir sollten trotzdem zurückgehen.“
„Ja, das
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