Der junge Seewolf
bringen sollte.
»Wollen Sie mich ablösen, Mr. Winter?« scherzte Mr. Lenthall erschöpft und ein wenig resignierend, angesichts dessen, was ihn noch erwartete.
»Das kann ich leider nicht, Sir. Ich soll nur signalisieren.«
»Die Signale, die ich gerne sehen würde, setzen Sie ja doch nicht.«
»Was wäre das denn, Sir?« fragte David.
»Kurs auf England! Keine Kranken!« antwortete der Schiffsarzt und verabschiedete sich mit einem Nicken.
David meldete sich bei Leutnant Hedson und sah den Bestand an Signalflaggen durch. Für seine Hängematte war nur wenig Platz in der Messe. Er verstaute seine Sachen, ging an Deck und beobachtete, wie eine dicke Trosse von der Shannon zum Schoner gebracht wurde.
In seiner Nähe stand ein älterer, mittelgroßer, kräftiger Zivilist, der den Arm in der Binde trug. Mit zwei Damen, Frau und erwachsene Tochter offenbar, sah auch er dem Manöver zu.
Bald darauf trat er zu David. »Sind Sie von der Fregatte, Sir?«
Als David bejahte, stellte er sich als Mr. Welsh vor und wollte David gewissermaßen stellvertretend für die Besatzung der Fregatte für die Rettung danken. Frau und Tochter schlossen sich an.
David sagte, er würde den Dank übermitteln und erkundigte sich nach der Wunde.
»Nur ein winziger Kratzer«, wehrte Mr. Welsh ab. »Als ihr Schiffsarzt die Wunde mit einer Alkoholtinktur behandelte, hat das mehr weh getan als beim Beschuß.«
»Ja«, lächelte David, »unser Arzt ist sehr gewissenhaft und beugt Entzündungen vor.«
Am nächsten Morgen hellte sich das Wetter auf. Die Sonne war zu sehen, aber sie wärmte nur wenig. David hatte das Signal abgelesen ›Arzt an Bord nehmen‹ und es weitergegeben, als Mr. Welsh zu ihm trat und eine Unterhaltung begann.
Er erkundigte sich nach den bisherigen Fahrten der Fregatte, und David berichtete über ihre Erlebnisse in der Chesapeake Bay, bei Saint Augustine und in der Karibik.
»Da haben Sie mehr von unseren Kolonien gesehen als ich«, sagte Mr. Welsh. Über Philadelphia im Süden und Halifax im Norden sei er nicht hinausgelangt.
Mr. Welsh war ein angenehmer, freundlicher Gesprächspartner. Er war Zollbeamter in Salem gewesen, hatte sich vor zwei Jahren pensionieren lassen und ein Haus in Boston gekauft.
David war neugierig geworden. »Würden Sie es für aufdringlich halten, Sir, wenn ich Sie frage, warum Sie Ihr Hab und Gut verlassen haben und mit unserer Armee aus Boston flüchten.«
»Keineswegs«, erwiderte Mr. Welsh, »wie mir ergeht es vielen, und ich habe nichts zu verschweigen.«
Als Zollbeamter mußte er Verordnungen durchsetzen, von deren Sinn er nicht immer überzeugt war. Er konnte den Aufruhr gegen einige Steuern und Zölle anfangs schon verstehen. Dann erkannte er aber, daß es vielen Wortführern des Aufstandes gar nicht um Steuern, Zölle oder Freiheiten, sondern allein um ihre Vorteile und ihre Profilierung ging.
»Sehen Sie, Mr. Winter, als Zollbeamter wußte ich viel über die Geschäfte einiger reicher Kaufleute. Sie hoffen, ihr Geschäft verdoppeln zu können, wenn sie die britischen Handelsbeschränkungen los sind. Die Hoffnung ist wahrscheinlich berechtigt. Aber dieses Interesse hinter Freiheitsphrasen zu tarnen, das finde ich nicht anständig. Oder nehmen Sie jene Anwälte, denen die geordneten, ruhigen Verhältnisse einer friedlichen Kolonie zu langweilig waren. Sie stellten sich mit ihrem unsteten, geltungsbedürftigen Charakter an die Spitze des Protestes, genauso, wie sie sonst die ersten bei einer neuen Modetorheit waren! Wie soll mich eine solche Haltung überzeugen? Ich bin zu alt und zu solide, um davor Achtung zu haben.
Das soll nicht heißen, daß alle Rebellen so wären. Keinesfalls! Ich kenne hochanständige, aufrechte Männer, die zuerst an den König um Abstellung der Mißstände appellierten und dann Schritt um Schritt durch unkluge Maßnahmen der Regierung auf den Weg des Widerstands getrieben wurden. Bei diesen Männern wäre ich gern geblieben, Mr. Winter. Aber ich erhalte meine Pension von der britischen Regierung. Und General Washington drängt mit aller Kraft darauf, daß die sogenannten ›Parteigänger‹ der Briten in ihren Rechten und Besitzungen eingeschränkt werden. Es wird nicht lange dauern, und man wird jene enteignen, die nicht für die Rebellion sind. Ja, so ist es! Im Namen der Menschenrechte sind sie tyrannischer als der sogenannte ›Tyrann‹ auf dem Thron.«
Sie liefen hinter der Shannon, die den Schoner an der Trosse hatte, und den beiden Prisen
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