Der junge Seewolf
mir, mich hat es wie ein Blitz getroffen.«
Knapp drei Meilen seewärts von Saint John mündete der ›Petit Rivière du Sud‹. An seinem Ostufer lag ein Gehöft mit einem Bootspier. Ein Siedler hatte hier mit einem kleinen Frachtsegler die Siedlungen am See versorgt und sich mit zusätzlichem Fischfang, Ackerbau und Viehzucht ein gutes Auskommen verschafft.
Die Rebellen hatten ihn erschossen, als er seinen Kahn gegen die Beschlagnahme verteidigen wollte. Die Witwe, eine hübsche, junge, kräftige Frau mit einem achtjährigen Sohn, einer vierjährigen Tochter und einem schwachsinnigem Knecht konnte es allein nie schaffen. Ein Mann mußte her!
Vielleicht hatte sie Miller darum intensiver als üblich betrachtet, als er mit Hamond und Isaak auf dem Hof erschien, um Erkundigungen einzuziehen. Sie gab ihnen Auskunft über die Baumbestände am Fluß, war auch bereit, das Ochsengespann in der Nähe der Farm zu vermieten, wenn es abends wieder auf den Hof zurückgebracht und gut behandelt würde.
Miller bot sich an, das zu erledigen, aber Hamond, der Millers Schwäche für Frauen kannte, wehrte ab. Erst müsse man sehen, wann hier in der Gegend Holz geschlagen werde. Aber weder er noch David hatten vor Miller in den nächsten Tagen Ruhe, bis sie ihm zusagten, wenn es soweit sei und sie Einfluß hätten, könne er die Arbeit übernehmen.
Um Saint John war jetzt ein großes Lager entstanden. Niedergebrannte Häuser waren wieder aufgebaut. Etwa vierhundert Seeleute lebten in Zelten in der Nähe des Flusses und bauten unaufhörlich Flachboote für den Transport von Soldaten. Auch eine Art schwimmender Batterie ließ Leutnant Schanck, der jetzt von Leutnant Twiss unterstützt wurde, herstellen.
Sie nannten dieses eckige Fahrzeug ›Radeau‹ – warum, das konnte David nie ergründen – und gaben ihm den Namen Thunderer. Segeln konnte die Radeau mit ihren zwei Masten sicher nicht sehr gut, aber donnern würde sie mit sechs Vierundzwanzigpfündern, sechs Zwölfpfündern und zwei Mörsern wohl laut genug.
Einige Ruderkanonenboote mit Hilfssegeln waren in Teilen von England herbeigeschafft und wurden zusammengebaut. Daneben konstruierte man weitere Boote nach diesem Muster.
Westlich vom Lager der Seeleute waren die Lager der Armee. Neben dem britischen 29. Regiment kampierte ein Regiment der Braunschweiger und neben ihnen die Canadian Volunteers, eine Milizeinheit.
Kneipen waren aus Brettern zusammengeschlagen worden, in denen die Offiziere und Soldaten ihren Sold vertrinken konnten.
Die Braunschweiger hatten eine hübsches Haus im Pavillonstil als Offiziersmesse erbaut, und auch die britischen und kanadischen Offiziere waren dort gern zu Gast. Besonders David wurde öfter eingeladen, um zwischen den Braunschweigern und ihren britischen Gästen zu dolmetschen.
Dort lernte er auch Leutnant Dacres und Midshipman Edward Pellew kennen, die von der Fregatte Blonde abkommandiert waren, um in der Werft zu helfen. Sie waren Leutnant Schanck eine große Hilfe, wie er immer wieder betonte.
Pellew war ein ungewöhnlich großer und kräftiger Mann von fast zwanzig Jahren. Ungeduldig war er auch. Alles ging ihm zu langsam: Die Flotte sei doch schon groß genug, um die Rebellen anzugreifen oder zumindest Vorstöße zur Aufklärung zu unternehmen.
Leutnant Dacres war nicht so sicher, denn man hatte Nachrichten erhalten, daß die Rebellen ihre Flotte auf Werften in Skenesboro und Crown Point kräftig ergänzten.
Aber Major von Hasselow, Bataillonskommandeur bei den Braunschweigern, war eher auf Pellews Seite.
Auch General Burgoyne treibe dauernd, der Feldzug müsse weitergehen, aber Gouverneur Carleton sei übervorsichtig und wolle erst vorrücken, wenn die Überlegenheit auf dem See absolut sicher sei.
»Der September beginnt, und im November friert hier alles ein, wie man mir sagte. Die Armee soll Fort Ticonderoga, das sogenannte Gibraltar des Westens, erobern und zum Hudson-Tal marschieren, um sich mit den Truppen General Howes zu vereinigen, die von New York aus den Hudson aufwärts marschieren sollen. Dann hätten wir die Rebellenkolonien in zwei Teile geteilt. Aber wir brauchen jeden Tag«, betonte der Major noch.
Sie sollten noch länger warten müssen. Die ersten Teile einer Sloop trafen ein, die in Quebec zerlegt worden war. Mit ihren achtzehn Zwölfpfündern sollte sie das Rückgrat von Carletons Flotte bilden. Schanck und seine Leute schufteten bis zum Umfallen, um die Inflexible zusammenzubauen, aber unter einem
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