Der Junker von Ballantrae
Kind gegen sich aufgehetzt sah. Er wurde gegen dasarme unschuldige Wesen grob, was ihn in der Achtung seines Weibes noch etwas tiefer sinken ließ, und schließlich war es ein Band der Einigkeit zwischen der Dame des Hauses und dem Junker. Unter diesem Einfluß schmolz die frühere Kälte zwischen den beiden täglich mehr und mehr dahin. Bald machten sie gemeinsame Spaziergänge in dem langen Gehölz, unterhielten sich im Belvedere, und es kam zu ich weiß nicht welcher zarten Vertrautheit. Ich bin sicher, daß Mrs. Henry mancher guten Frau glich: sie hatte ein normales Gewissen, aber es neigte dazu, manchmal ein Auge zuzudrücken. Denn selbst für einen so schwerfälligen Beobachter wie mich war es klar, daß ihre Liebenswürdigkeit über die Natur schwesterlicher Zuneigung hinausging.
Die Bewegung ihrer Stimme schien klangreicher, ihr Auge zeigte Licht und Sanftmut, sie war gegen uns alle, selbst gegen Mr. Henry und sogar gegen mich, freundlicher, und mir schien, als ob sie ein stilles, schwermütiges Glücksgefühl ausströme.
Welch eine Qual für Mr. Henry war es, dem zuzuschauen! Und doch brachte es uns endgültige Erlösung, wie ich in Kürze erzählen werde.
Die Absicht, die der Junker mit seiner Anwesenheit verfolgte, war keine edlere, als Geld herauszupressen, wenn er sie auch versteckte. Er hatte den Plan, in Französisch-Indien sein Glück zu machen, wie der Chevalier mir schrieb, und die Summe, die er dazu gebrauchte, suchte er hier zu erlangen. Für die übrige Familie bedeutete das den Ruin, aber der alte Lord in seiner unglaublichenParteilichkeit drängte auf Gewährung. Die Familie war jetzt so klein – sie bestand ja nur noch aus dem Vater und den beiden Söhnen –, daß es möglich war, das Erblehen anzutasten und ein Stück Land zu veräußern. Und Mr. Henry wurde zunächst durch Andeutungen und dann durch offenkundigen Druck dazu getrieben, seine Zustimmung zu geben. Ich weiß sehr genau, daß er es nie getan hätte, wenn die Wucht der Leiden, unter denen er seufzte, nicht so schwer gewesen wäre. Hätte er nicht den leidenschaftlichen Wunsch gehabt, seinen Bruder fortziehen zu sehen, würde er niemals gegen sein eigenes Gefühl und die Überlieferungen seines Hauses so verstoßen haben. Und selbst jetzt verkaufte er ihnen seine Zustimmung sehr teuer, und zum ersten Male redete er offen heraus und stellte den Handel in seinen schmachvollen Farben rücksichtslos dar.
»Ihr müßt gestehen«, sagte er, »daß es eine Ungerechtigkeit ist gegen meinen Sohn, wenn ich jemals einen bekomme.«
»Aber es besteht kaum eine Wahrscheinlichkeit, daß du einen bekommst«, sagte der Lord.
»Das weiß Gott!« sagte Mr. Henry. »Und angesichts der grausamen Verfälschung meiner Lage meinem Bruder gegenüber und der Tatsache, daß du, mein Lord, mein Vater bist und das Recht hast mir zu befehlen, setze ich meine Unterschrift unter dies Papier. Aber eins will ich vorher noch sagen: man hat mich unbarmherzig dazu getrieben, und wenn du in Zukunft Vergleiche anstellst zwischen deinen Söhnen, bitteich dich zu überlegen, was ich getan habe und was er getan hat. Taten sind der gerechte Prüfstein.«
Der alte Lord war so unwillig, wie ich ihn nie zuvor gesehen hatte, in sein altes Gesicht stieg das Blut auf, und er sagte: »Ich glaube, der Augenblick ist nicht sehr gut gewählt, Henry, dich zu beklagen, das nimmt dir das Verdienst deiner Edelmütigkeit.«
»Täusche dich nicht, mein Lord«, sagte Mr. Henry, »dies Unrecht geschieht nicht aus Edelmut gegen meinen Bruder, sondern aus Gehorsam gegen dich.«
»Vor fremden Ohren ...« begann der Lord mit noch unglücklicherer Miene.
»Hier ist niemand anwesend außer Mackellar«, antwortete Mr. Henry, »und er ist mein Freund. Da du deine häufigen Tadel nicht vor ihm verheimlichst, wäre es ungerecht, wenn er bei einer so seltenen Sache wie meiner Rechtfertigung nicht anwesend wäre.«
Es schien mir beinah, als ob der Lord seinen Entschluß bedaure, aber der Junker war auf der Hut.
»Ach, Henry, Henry!« sagte er. »Du bist doch der Beste von uns. Rauh, aber wahrhaftig! Ach, Mensch, ich wollte, ich wäre so gut wie du!«
Angesichts dieses Beweises von der Großmut seines Lieblingssohnes gab der alte Lord sein Zögern auf, und der Vertrag wurde unterzeichnet.
Sobald es möglich war, wurde das Land von Ochterhall weit unter Preis verkauft, das Geld wurde dem Blutsauger ausgehändigt und auf geheimem Wege nach Frankreich geschickt. So wenigstens behauptete er,
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