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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Bewegung machen, ohne angenehm aufzufallen. Erschien also der eine höflich und der andere unhöflich, so schien jede kleinste Bewegung ihrer Körper die Echtheit ihrer Empfindungen zu bestätigen. Aber nicht allein das: je heftiger Mr. Henry im Netz seines Bruders zappelte, desto unbeholfener wurde er, und je mehr der Junker dies widerwärtige Vergnügen genoß, desto liebenswürdiger und verbindlicher erschien er. Auf diese Weise gewann diese Intrige an Wuchs und Ausmaß, je länger sie fortgesetzt und betrieben wurde.
    Es gehörte zu den Künsten dieses Menschen, die Gefahr, in der er, wie ich sagte, scheinbar schwebte, sich zunutze zu machen. Er sprach davon zu jenen, die ihnliebten, in heiterem Scherz, wodurch sie um so mehr gerührt wurden. Gegenüber Mr. Henry brauchte er sie als grausam beleidigende Waffe. Ich erinnere mich, daß er eines Tages den Finger auf die durchsichtige Scheibe in dem bemalten Fenster legte, als wir drei allein in der Halle waren. »Hier hindurch flog Euer glückhaftes Geldstück, Jakob«, sagte er. Und als Mr. Henry ihn finster anschaute, fügte er hinzu: »Oh, du brauchst mich nicht in ohnmächtiger Wut anzusehen, arme Mücke. Du kannst die Spinne loswerden, wenn's dir paßt. Wie lange noch, o Herr? Wann wirst du dich zum Verrat aufraffen, gewissenloser Bruder? Das gehört zu den spannenden Momenten dieser elenden Lüge, solche Experimente habe ich immer geliebt.«
    Mr. Henry starrte ihn noch immer finsteren Blickes an, und ich wechselte die Farbe. Schließlich brach der Junker in Gelächter aus, schlug ihm auf die Schulter und hieß ihn einen grämlichen Hund. Da trat mein Herr zurück mit einer drohenden Geste, die ich für sehr gefährlich hielt, und ich muß annehmen, daß der Junker ähnlich dachte, denn er blickte drein, als sei er doch ein ganz klein wenig aus der Fassung gebracht, und ich entsinne mich nicht, daß er jemals wieder Hand anlegte an Mr. Henry.
    Obgleich er nun seine Lebensgefahr immer im Munde führte, hielt ich sein Benehmen doch für höchst unvorsichtig und glaubte, die Regierung, die einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt hatte, sei ganz und gar eingeschlafen. Ich will nicht leugnen, daß mir manchmal der Wunsch aufstieg, ihn zu verraten, aber zwei Überlegungenhielten mich zurück: erstens würden der Vater und die Frau meines Herrn ihn für ewige Zeiten heiliggesprochen haben, wenn er sein Leben auf dem Schafott ehrbar geendet hätte; und zweitens wäre es kaum zu vermeiden gewesen, daß ein gewisser Verdacht sich gegen Mr. Henry geregt hätte, wenn ich irgendwie mit der Angelegenheit zu tun hatte. In der Zwischenzeit ging unser Feind mehr ein und aus, als ich für möglich gehalten hätte, die Tatsache seiner Heimkehr wurde überall im Lande ausposaunt, und doch wurde er überhaupt nicht gestört. Von all den vielen Leuten, die von seiner Anwesenheit Kenntnis hatten, besaß offenbar niemand die geringste Geldgier, wie ich in meinem Verdruß zu sagen pflegte, noch die geringste Königstreue, und der Mensch ritt überall hin und war viel willkommener als Mr. Henry, wenn man seine frühere Unbeliebtheit bedenkt, und viel sicherer als ich, wenn man sich der Schmuggler entsinnt.
    Allerdings hatte auch er seine Sorgen, und davon muß ich nun erzählen, da sich die schwersten Folgen daraus ergaben. Der Leser wird sich sicher an Jessie Broun erinnern. Sie lebte meistens zusammen mit den Schmugglern, auch Kapitän Crail gehörte zu ihren Freunden, und sie erfuhr sehr bald, daß Mr. Bally wieder daheim sei. Nach meiner Meinung hatte sie längst aufgehört, sich für des Junkers Person einen Deut zu interessieren, aber sie hatte sich daran gewöhnt, sich beständig mit des Junkers Namen in Verbindung zu bringen, und das war der Grund für ihr ganzes Getue. Als er nun zurückgekehrt war, hielt sie sich fürverpflichtet, in der Nachbarschaft von Durrisdeer herumzuspuken. Der Junker konnte sich kaum draußen zeigen, ohne daß sie ihm auflauerte: ein skandalöses Weib, die nicht oft nüchtern war. Sie schrie ihm laut zu: »Mein lieber Junge!«, sang Zigeunerlieder und versuchte sogar, wie man mir erzählte, sich an seiner Brust auszuweinen. Ich gestehe, daß ich mir die Hände rieb vor Freude über diese Nachstellungen, aber der Junker, der andern so viel zumutete, war selbst der ungeduldigste aller Menschen. Im Laufe der Zeit trugen sichallerlei sonderbare Dinge zu. Manche erzählen, er habe seinen Stock gegen sie erhoben, und Jessie soll ihre früheren Waffen wieder

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