Der Junker von Ballantrae
aberich hatte den Verdacht, daß es nicht sehr weit fortgeschafft wurde. Und obgleich nun der Vorsatz dieses Mannes zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht war und seine Taschen wieder einmal strotzten von unserem Golde, erreichten wir doch nicht das Ziel, um dessentwillen wir dies Opfer gebracht hatten, und der Besucher trieb sich immer noch auf Durrisdeer umher. Sei es nun aus Bosheit oder weil die Zeit noch nicht gekommen war für das Abenteuer in Indien, sei es, daß er noch Hoffnungen hatte, bei Mrs. Henry weiterzukommen, oder Befehle der Regierung vorlagen: wer vermag das zu sagen? Jedenfalls trieb er sich immer noch dort herum, und zwar wochenlang.
Man beachte, daß ich sage: Befehle der Regierung, denn um diese Zeit sickerte das schmachvolle Geheimnis des Menschen durch.
Die erste Andeutung erhielt ich von einem Pächter, der sich über den Aufenthalt des Junkers und über seine Sicherheit ausließ. Denn dieser Pächter war ein Anhänger der Jakobiten und hatte einen Sohn bei Culloden verloren, was ihn hellsichtiger machte. »Eine Sache«, sagte er, »kommt mir sonderbar vor, und zwar, wie er nach Cockermouth kam.«
»Nach Cockermouth?« fragte ich und erinnerte mich plötzlich an mein erstes Erstaunen, als ich sah, wie der Mensch nach einer so langen Reise in tadelloser Kleidung ans Land stieg.
»Nun ja«, sagte der Pächter, »dort wurde er von Kapitän Crail an Bord genommen. Sie dachten, er seidirekt zur See von Frankreich gekommen? Das glaubten wir damals alle.«
Ich überlegte mir die Dinge eine Zeitlang und trug sie dann Mr. Henry vor.
»Das ist eine sonderbare Angelegenheit«, sagte ich und erzählte ihm alles.
»Was tut es, wie er herüberkam, Mackellar, solange er hier ist?« grollte Mr. Henry.
»Nein, Herr«, sagte ich, »denken Sie doch darüber nach! Riecht das nicht nach Einverständnis mit der Regierung? Sie wissen, wie sehr wir uns bereits über sein Gefühl der Sicherheit gewundert haben.«
»Halt!« rief Mr. Henry. »Laßt mich darüber nachdenken.« Und als er nachdachte, kam jenes grimmige Lächeln in sein Gesicht, das ein wenig erinnerte an das des Junkers. »Geben Sie mir ein Blatt Papier«, sagte er. Und er setzte sich ohne weitere Erklärungen nieder und schrieb an einen Edelmann seiner Bekanntschaft – ich will keine unnötigen Namen nennen, aber er war in einer sehr gehobenen Stellung. Diesen Brief ließ ich durch den einzigsten Menschen befördern, auf den ich mich in solchen Fällen verlassen konnte, Macconochie, und der alte Mann ritt scharf, denn er war mit der Antwort zurück, bevor selbst mein Übereifer gehofft hatte, ihn erwarten zu dürfen. Wieder hatte Mr. Henry dasselbe grimmige Lächeln auf seinem Gesicht, als er sie las.
»Das ist das beste, was Sie bisher für mich geleistet haben, Mackellar«, sagte er, »mit diesem Briefin meiner Hand werde ich ihm einen Hieb versetzen. Beobachten Sie uns beim Mittagessen.«
Beim Essen schlug Mr. Henry seinem Plane entsprechend vor, der Junker solle sich in aller Öffentlichkeit zeigen, und, wie er hoffte, widersprach der alte Lord wegen der damit verbundenen Gefahren.
»Ach«, sagte Mr. Henry leichthin, »du brauchst mir das nicht mehr vorzuspielen, ich kenne dein Geheimnis so gut wie du selbst.«
»Ein Geheimnis?« fragte der Lord. »Was willst du damit sagen, Henry? Ich gebe dir mein Wort, daß ich kein Geheimnis kenne, das dir verborgen ist.«
Der Junker hatte die Farbe gewechselt, und ich bemerkte, daß der Hieb gesessen hatte.
»Wie?« sagte Mr. Henry und wandte sich ihm mit anscheinend großem Erstaunen zu. »Ich sehe, daß du deinem Lord ein sehr treuer Diener bist, aber ich hätte geglaubt, du besäßest genug Menschlichkeit, deinen alten Vater zu beruhigen.«
»Wovon sprichst du? Ich will nicht, daß meine Angelegenheiten öffentlich diskutiert werden. Ich befehle, daß du Schluß machst!« rief der Junker mit törichter Leidenschaft aus, mehr wie ein Kind denn als Mann.
»So viel Verschwiegenheit erwartete man nicht von dir, des kann ich dich versichern«, fuhr Mr. Henry fort. »Sieh hier, was man mir schreibt«, und er entfaltete den Brief: »Es liegt selbstverständlich sowohl im Interesse der Regierung, als auch des Herrn, den wir vielleicht am besten auch weiterhin Mr. Bally nennen, diesen Vertrag geheimzuhalten, aber man hat nie verlangt,daß seine eigene Familie andauernd in jener Ungewißheit gehalten werden sollte, die Sie mir so lebendig schildern, und ich wäre erfreut, wenn mein Schreiben die
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