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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Veranlassung wäre, diese Befürchtungen aus der Welt zu schaffen. Mr. Bally ist in Großbritannien ebenso sicher wie Sie selbst.«
    »Ist das möglich?« rief der alte Lord aus, indem er seinen Sohn mit höchst verwunderter Miene und mit noch größerem Mißtrauen anschaute.
    »Mein teurer Vater«, sagte der Junker, der bereits seine Fassung wiedergewonnen hatte, »ich bin außerordentlich erfreut, daß alles jetzt offenbar geworden ist. Meine eigenen Instruktionen, die ich direkt von London erhielt, lauteten völlig entgegengesetzt, und ich war verpflichtet, die Vergünstigung, die man mir gewährte, vor jedermann geheimzuhalten, auch vor dir, und sogar ganz besonders vor dir, wie ich schwarz auf weiß beweisen kann, wenn ich das Schreiben nicht vernichtet habe. Sie müssen ihre Ansicht sehr rasch gewechselt haben, denn der Befehl liegt nicht sehr lange zurück, oder der Herr, mit dem Henry sich in Verbindung gesetzt hat, muß diesen Teil der Vereinbarung mißverstanden haben, wie er anscheinend auch alles andere mißverstanden hat. Um dir die Wahrheit zu gestehen, mein Lord«, fuhr er fort und wurde sichtlich ruhiger, »ich lebte in der Vermutung, daß dies unerklärliche Wohlwollen einem Rebellen gegenüber zurückzuführen sei auf ein Gnadengesuch von deiner Seite, und ich erklärte mir den Befehl, auch meiner Familie gegenüber das Geheimnis zu bewahren, damit, daß du selbst den Wunschausgesprochen hättest, diese Gnade solle verborgen bleiben. Deshalb war ich um so mehr bemüht, die Weisungen zu befolgen. Nun ist man darauf angewiesen zu erraten, durch welche anderen Kanäle so viel Nachsicht einem so offenkundigen Verbrecher wie mir zugeflossen ist. Ich glaube nicht, daß dein Sohn sich verteidigen muß gegen das, was in Henrys Brief angedeutet zu sein scheint. Noch nie hörte ich von einem Durrisdeer, der ein Überläufer oder ein Spion war!« sagte er stolz.
    Und so schien es, als ob er unbehelligt aus der Gefahrenzone herausgeschwommen sei, aber er hatte einen Fehler nicht berechnet, den er gemacht hatte, und die Hartnäckigkeit nicht berücksichtigt, die Mr. Henry bewies, der nun zeigte, daß er etwas von seines Bruders Geist besaß.
    »Du sagst, daß die Weisung aus neuerer Zeit stammt«, sagte Mr. Henry. – »Ja, aus neuerer Zeit«, antwortete der Junker, als ob er seiner Sache ganz sicher sei, aber doch nicht ohne leises Zögern.
    »Aus so neuer Zeit, wie hier steht?« fragte Mr. Henry wie jemand, der vor einem Rätsel steht, und breitete den Brief noch einmal aus. In dem ganzen Schreiben stand kein Wort über das Datum, aber wie sollte der Junker das wissen?
    »Für mich war es spät genug«, sagte er lachend, und beim Klang dieses Lachens, das gebrochen herauskam wie der Ton einer geborstenen Glocke, blickte der alte Lord ihn über den Tisch hinweg wieder an, und ich sah, wie seine alten Lippen sich scharf aufeinanderpreßten.
    »Ich entsinne mich doch«, warf Mr. Henry ein, und schaute immer noch auf den Brief, »daß du sagtest, die Weisung stamme aus der allerletzten Zeit.«
    Und nun sahen wir, daß wir gesiegt hatten, aber erhielten gleichzeitig auch den stärksten Beweis für die unglaubliche Nachsicht des Lords, denn er sah sich sofort veranlagt, seinen Lieblingssohn vor einer Bloßstellung zu retten!
    »Ich denke, Henry«, sagte er mit einer Art mitleidvollen Eifers, »ich denke, wir brauchen nicht mehr darüber zu reden. Wir sind alle erfreut, daß wir deinen Bruder endlich in Sicherheit wissen, wir sind alle einig darüber, und als dankbare Untertanen müssen wir auf die Gesundheit und das Wohlwollen des Königs trinken.«
    Auf diese Weise entschlüpfte der Junker aus der Schlinge, aber letzten Endes war er doch in die Verteidigungsstellung getrieben worden. Er hatte sich lahm aus der Affäre gezogen, und der Zauber, der ihn umgeben hatte wegen der Lebensgefahr, in der er zu schweben schien, war ihm nun in aller Öffentlichkeit geraubt worden. Der alte Lord wußte jetzt in seinem Innersten, daß sein Lieblingssohn ein Spion der Regierung war, und Mrs. Henry – wie immer sie sich die Geschichte erklären mochte – war sichtbar kalt in ihrem Benehmen gegen den entlarvten Helden der Romantik. So besitzt jedes Gewebe der Doppelzüngigkeit einen schwachen Punkt, und wenn man ihn erwischt, löst es sich gänzlich auf. Hätten wir durch diesen glücklichen Vorstoß das Idol des alten Lords nicht erschüttert: werkann sagen, wie es uns bei der kommenden Katastrophe ergangen wäre?
    Und doch

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