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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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schienen wir im Augenblick nichts erreicht zu haben. Nach ein oder zwei Tagen hatte der Junker den schlechten Eindruck seiner Lügereien verwischt und stand allem Anschein nach so hoch wie immer. Was den alten Lord Durrisdeer betraf, so war er in väterlicher Parteilichkeit befangen; es war nicht so sehr Liebe, die ja eine aktive Eigenschaft sein sollte, als vielmehr Teilnahmlosigkeit und Unterdrückung seiner anderen Fähigkeiten, und Verzeihung, um das edle Wort hier trotz allem anzuwenden, strömte aus reiner Weichmütigkeit aus ihm heraus wie Tränen der Greisenhaftigkeit. Der Fall lag bei Mrs. Henry anders, und der Himmel allein weiß, was er ihr zu sagen wußte oder wie er sie abbrachte von der Verachtung für ihn. Es ist eine der schlimmsten Eigenarten des Gefühls, daß die Stimme wichtiger werden kann als die Worte und der Sprecher als das, was geredet wird. Aber irgendeine Entschuldigung muß der Junker gefunden haben, ja, vielleicht hatte er sogar einen Kunstgriff angewandt, um diese Bloßstellung zu seinem eigenen Vorteil auszuschlachten, denn nach einiger Zeit der Kälte schien es, als ob die Dinge zwischen ihm und Mrs. Henry schlimmer stünden als zuvor. Sie waren damals ständig zusammen. Man darf mich nicht in Verdacht haben, daß ich einen Schatten des Tadels auf diese unglückselige Frau werfen will, ich rüge nur ihre halb willkürliche Blindheit und glaube, daß sie in diesen letzten Tagen mit dem Feuer spielte. Ob ich nun recht oder unrechthabe, eins ist sicher und völlig genügend: Mr. Henry dachte so. Der arme Edelmann saß tagelang in meinem Zimmer und bot ein so trauriges Bild der Niedergeschlagenheit, daß ich nie wagte ihn anzureden, aber man darf annehmen, daß schon meine Gegenwart und das Bewußtsein meiner Teilnahme ihm einigen Trost bereiteten. Es gab auch Zeiten, wo er sprach, und es war eine sonderbare Art des Sprechens. Niemals wurde eine Person genannt oder auf irgendeinen besonderen Umstand Bezug genommen, aber wir hatten dieselben Dinge in unserem Geiste vor uns und wußten es beide. Es ist eine eigenartige Art der Unterhaltung, die man auf diese Weise ausüben kann: stundenlang über eine Sache zu sprechen, ohne sie zu nennen oder auch nur anzudeuten. Und ich erinnere mich, daß ich darüber nachdachte, ob es vielleicht auf eine natürliche Begabung dieser Art zurückzuführen sei, wenn der Junker den ganzen Tag lang Mrs. Henry seine Liebe offenbarte, wie er es ohne Zweifel tat, ohne sie jemals zur Zurechtweisung zu zwingen.
    Um zu zeigen, wie weit die Dinge mit Mr. Henry gekommen waren, will ich einige seiner Worte wiedergeben, die er, wie ich nie vergessen werde, am 26. Februar 1757 äußerte. Es war unverhältnismäßig schlechtes Wetter, eine Art Wiederkehr des Winters: windstill, bitterkalt, die Welt weiß von Reif, die Wolken niedrig und grau, das Meer schwarz und schweigend wie ein toter Steinbruch. Mr. Henry saß dicht beim Kamin und debattierte darüber, wie es damals seine Gewohnheit war, ob »ein Mensch« handeln müsse, ob »Dazwischentretenklug sei« und ähnliche Möglichkeiten, die uns besonders nahelagen. Ich stand am Fenster und schaute hinaus, als unten der Junker, Mrs. Henry und Miß Katharine, dies ständige Trio, vorübergingen. Das Kind lief hin und her, erfreut über die Kälte; der Junker sprach dicht zum Ohr der Lady mit einer teuflischen Liebenswürdigkeit der Überredung, wie es selbst auf diese Entfernung erschien, und sie ihrerseits blickte zu Boden wie jemand, der ganz im Zuhören verloren ist. Ich durchbrach meine Zurückhaltung.
    »Wenn ich Sie wäre, Mr. Henry«, sagte ich, »würde ich mit dem alten Lord offen sprechen.«
    »Mackellar, Mackellar«, sagte er, »Sie sehen nicht die Unsicherheit des Bodens, auf dem ich stehe. Ich kann solch niedrige Gedanken niemandem vortragen, am wenigsten meinem Vater, das würde mir seine tiefste Verachtung eintragen. Die Schwäche meiner Position«, fuhr er fort, »beruht auf mir selbst, denn ich gehöre nicht zu denen, die Liebe erzwingen können. Ich besitze ihre Dankbarkeit, sie alle sagen mir das, ich habe einen reichen Vorrat davon. Aber ich bin nicht gegenwärtig in ihren Gemütern, sie fühlen sich nicht bewegt, mit mir oder für mich zu denken. Das ist mein Schicksal!«
    Er erhob sich und trat das Feuer aus. »Aber irgendein Ausweg muß gefunden werden, Mackellar«, sagte er und blickte mich plötzlich über die Schulter an, »irgendein Mittel muß ausfindig gemacht werden. Ich bin ein Mensch von sehr

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