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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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besten Falle ein Sklave, und selbst als ich ging, schlugen meine Zähne im Munde aufeinander. Es war, wie er gesagt hatte, kein Lufthauch regte sich, windfreier Frost hatte die Luft gefesselt, und als wir im Schein der Kerzen dahinschritten, lag die Finsternis wie ein Dach über unseren Köpfen. Kein Wort wurde gesprochen. Man hörte keinen Laut außer dem Knirschen der Fußtapfen auf dem hartgefrorenen Pfad. Die Kälte der Nacht stürzte über mich wie ein Eimer Wasser, ich zitterte vor Grauen, als ich weiterging, aber meine Begleiter, barhäuptig gleich mir, und soeben noch in der warmen Halle, schienen den Unterschied nicht einmal zu bemerken.
    »Hier ist der Platz«, sagte der Junker, »setz die Kerzen nieder.«
    Ich tat, wie er befahl, und sogleich richteten sich die Flammen auf und brannten gleichmäßig wie in einem Zimmer inmitten der froststarrenden Bäume, und ich sah, wie diese beiden Brüder ihre Stellung einnahmen.
    »Das Licht blendet mich etwas«, sagte der Junker.
    »Ich will dir jeden Vorteil geben«, antwortete Mr. Henry und wechselte seinen Stand, »denn ich glaube, du mußt bald sterben.«
    *
    Er sprach traurig, wie es schien, aber seine Stimme klang fest.
    »Henry Durie«, sagte der Junker, »zwei Worte, bevor ich beginne. Du bist ein Fechter, du kannst ein Rapier führen, aber wie man ein Schwert hält, davon verstehst du wenig! Und deshalb weiß ich, daß du fallen wirst. Bedenke aber, wie gut meine Lage ist. Wenn du fällst, entfliehe ich aus diesem Lande dorthin, wo mein Geld jetzt schon ist. Falle ich jedoch, was willst du dann tun? Mein Vater, dein Weib – die mich liebt, wie du sehr wohl weißt –, selbst dein Kind, das mich dir vorzieht: wie werden sie alle mich rächen! Hast du dir das überlegt, teurer Henry?« Er blickte seinen Bruder lächelnd an, und dann salutierte er wie auf dem Fechtboden.
    Kein Wort sprach Mr. Henry, aber er salutierte auch, und die Säbel fielen gegeneinander.
    Ich kann Fechten nicht beurteilen, und außerdem war mein Kopf benommen vor Kälte, Furcht und Schrecken, aber es schien, als ob Mr. Henry die Oberhand gewann in dem Kampf, indem er mit verhaltener und doch glühender Wut gegen den Feind eindrang. Er arbeitete sich näher und näher an den Mann heran, bis der Junker plötzlich leise stöhnend mit einem Fluch zurückwich, und ich glaube, daß diese Bewegung das Licht wieder gegen seine Augen warf. In der neuen Stellung gingen sie wieder aufeinander los, aber dichter, wie mir schien. Mr. Henry kämpfte noch wütender, der Junker verlor allmählich sein Selbstvertrauen. Denn es besteht kein Zweifel, daß er sich jetzt für verloren hielt und einenVorgeschmack von Furcht und Todesangst empfand, sonst hätte er den faulen Hieb nie versucht. Ich will nicht behaupten, daß ich alles richtig verfolgen konnte, mein ungeübtes Auge war nie schnell genug, um Einzelheiten zu erfassen, aber es scheint mir, als habe er den Säbel seines Bruders mit der linken Hand ergriffen, eine unerlaubte Handlung. Mr. Henry rettete sich fraglos nur dadurch, daß er zur Seite sprang, und ebenso fraglos stürzte der Junker aufs Knie, als er in die Luft stieß, und bevor er sich aufrichten konnte, saß das Schwert in seinem Körper.
    Ich stieß einen unterdrückten Schrei aus und rannte hinzu, aber der Körper war schon zu Boden gefallen, wo er sich eine Weile wie ein zertretener Wurm krümmte und dann regungslos liegenblieb.
    »Betrachten Sie seine linke Hand«, sagte Mr. Henry.
    »Sie ist ganz blutig«, sagte ich.
    »Innen?« fragte er.
    »Sie ist innen zerschnitten«, antwortete ich.
    »Das dachte ich mir«, sagte er und wandte mir den Rücken.
    Ich öffnete den Rock des Mannes, das Herz stand ganz still, es regte sich nicht.
    »Gott verzeihe uns, Mr. Henry!« sagte ich, »er ist tot.«
    »Tot?« wiederholte er etwas blöde, und dann rief er mit erhobener Stimme: »Tot? Tot?« Und plötzlich warf er sein blutiges Schwert zu Boden.
    »Was sollen wir tun?« fragte ich.
    »Kommen Sie zu sich, es ist zu spät jetzt, Sie müssen zu sich kommen!«
    Er wandte sich mir zu und starrte mich an. »Oh, Mackellar«, sagte er und vergrub sein Gesicht in die Hände.
    Ich zupfte an seinem Rock. »Um Gottes willen, um unser aller willen, seien Sie mutiger!« sagte ich. »Was sollen wir tun?«
    Er zeigte mir sein Gesicht, das immer noch blöde vor sich hin starrte. »Tun?« sagte er. Und während er die Augen voll auf den Leib des Bruders richtete, rief er: »Oh!« und hob die Hand zu den Brauen,

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