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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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er nachdenklich fort.
    »Auch das glaube ich«, sagte ich, »und der Kummer ebenfalls. Wenn wir auf Erden nicht bemüht sind, unser Bestes zu tun, ist es für alle Teile meiner unmaßgeblichen Meinung das beste, so rasch wie möglich zu sterben.«
    »Ja, aber wenn Sie in meiner Haut steckten, würden sie ihm verzeihen?« fragte der Lord.
    Die Plötzlichkeit dieses Überfalls verwirrte mich ein wenig. »Es ist eine Pflicht, die uns streng auferlegt ist«, antwortete ich.
    »Pah!« sagte er, »das sind Redensarten! Verzeihen Sie dem Menschen?«
    »Nun – nein!« erwiderte ich. »Gott verzeih mir, ich nicht.«
    »Geben Sie mir die Hand darauf!« rief der Lord mit einer Art Heiterkeit.
    »Es ist ein übles Gefühl, darauf die Hand zu geben«, sagte ich, »jedenfalls für Christen. Ich will sie Ihnen lieber bei einer christlicheren Angelegenheit reichen.«
    Ich sagte das ein wenig lächelnd, aber was den Lord betrifft, so verließ er das Zimmer laut lachend.
    Für die sklavische Zuneigung des Lords zu dem Kind kann ich keinen angemessenen Ausdruck finden. Er verlor sich ganz an diesen Gedanken; Geschäft, Freunde und Frau waren völlig vergessen, oder er erinnerte sich ihrer nur mit einer qualvollen Anstrengung, wie einer, der mit einem Gespenst kämpft. Besonders auffällig war das in bezug auf sein Weib. Seit ich Durrisdeer kannte, war sie der ständige Gegenstand seiner Gedanken und der Magnet seiner Augen gewesen, und jetzt war sie völlig ausgeschaltet. Ich habe ihn zur Tür eines Zimmers kommen sehen, er blickte rund umher und übersah die Dame des Hauses, als ob sie ein Hund vor dem Kamin wäre. Er suchte Alexander, und die gnädige Frau wußte es wohl. Ich habe gehört, wie er so rauh zu ihr sprach, daß ich mich beinahe aufraffte, dazwischen zu treten: der Grund war immer derselbe, sie hatte aus irgendeinem Grunde mit Alexander gezankt. Ohne Zweifel war das eine Art gerechteStrafe für die Lady, ohne Zweifel hatte sich das Blatt jetzt so sehr gegen sie gewandt, daß nur die Vorsehung dahinterstehen konnte. Sie, die so viele Jahre hindurch jedem Anzeichen von Zärtlichkeit gegenüber kalt geblieben war, wurde jetzt vernachlässigt. Um so lobenswerter war es, daß sie ihre Rolle gut spielte.
    Eine sonderbare Situation ergab sich: wir hatten wieder zwei Parteien im Hause, und ich stand nun auf seiten der Dame. Nicht, daß ich je die Liebe verloren hätte, die ich meinem Herrn entgegenbrachte. Aber erstens bedurfte er weniger meiner Gesellschaft, und zweitens konnte ich den Fall Mr. Alexanders nicht mit dem Miß Katharines vergleichen, für die der Lord niemals die geringste Neigung aufbrachte. Und drittens verletzte mich die veränderte Haltung, die er seinem Weibe gegenüber einnahm, was mir wie Untreue vorkam. Außerdem konnte ich ihre Standhaftigkeit und Liebenswürdigkeit nur bewundern. Vielleicht war ihr Gefühl dem Lord gegenüber, das von Anfang an ja auf Mitleid beruhte, eher das einer Mutter als das einer Frau, vielleicht auch freute es sie, wenn ich so sagen darf, ihre beiden Kinder, Vater und Sohn, so glücklich miteinander zu wissen, um so mehr, als der eine früher so viel gelitten hatte. Jedenfalls mußte sie, obgleich ich nie die geringste Spur von Eifersucht bemerkte, sich jetzt Miß Katharine, die sie früher vernachlässigte, mehr widmen, und ich meinerseits gelangte dazu, meine freien Stunden mehr und mehr mit Mutter und Tochter zu verbringen. Man könnte diesen Zwiespalt leicht zu sehr betonen, denn im großen ganzen war es ein angenehmes Familienleben,wenn man alles in Betracht zieht. Und doch war er vorhanden, aber ob der Lord es wußte, bezweifle ich. Ich glaube es nicht, er war völlig mit seinem Sohn beschäftigt, doch wir andern wußten es und litten gewissermaßen darunter.
    Was uns jedoch am meisten bewegte, war die große und wachsende Gefahr für das Kind. Der Lord war ganz wie sein Vater, und es war zu befürchten, daß sein Sohn ein zweiter Junker werden würde. Die Zeit hat gelehrt, daß diese Befürchtung sehr übertrieben war. Ohne Zweifel gibt es in ganz Schottland augenblicklich keinen würdigeren Gentleman als den siebenten Lord Durrisdeer. Es ziemt mir nicht, über meinen Austritt aus seinen Diensten zu sprechen, besonders nicht in einem Schriftstück, das nur abgefaßt wurde, seinen Vater zu rechtfertigen ...
    (Anmerkung des Herausgebers: Fünf Seiten von Mr. Mackellars Manuskript sind hier ausgelassen. Beim Durchfliegen habe ich den Eindruck gewonnen, daß Mr. Mackellar im

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