Der Junker von Ballantrae
einsam. Der Sepoy stieg auf meinen Rücken, und bald waren wir in einem großen eingeschlossenen Raum voller Bäume. Der Platz war naß vom Tau, der in jenem Lande besonders für Weiße außerordentlich ungesund ist; aber meine Müdigkeit war so groß, daß ich bereits halb eingeschlafen war, als der Sepoy mich zur Besinnung zurückrief. Am äußersten Ende des Gartens war plötzlich ein helles Licht aufgeflammt, und es brannte stetig zwischen den Zweigen. Das war eine Tatsache, die an solchem Ort und zu solcher Stunde höchst außergewöhnlich war, und in unserer Lage mußten wir vorsichtig zu Werkegehen. Der Sepoy wurde auf Kundschaft geschickt und kehrte bald mit der Nachricht zurück, daß wir großes Pech hatten, denn das Haus gehörte einem weißen Mann, der aller Wahrscheinlichkeit nach Engländer war.
»Meiner Treu«, sagte ich, »wenn dort ein weißer Mann ist, will ich ihn mir ansehen, denn, Gott sei gelobt, es gibt davon mehr Sorten als eine!«
Der Sepoy führte mich also an einen Platz, wo ich gut auf das Haus hinuntersehen konnte. Es war von einer breiten Veranda umgeben, eine Lampe, sehr gut zurechtgemacht, stand auf dem Boden, und an jeder Seite der Lampe saß ein Mann, nach orientalischer Sitte mit gekreuzten Beinen. Beide waren wie Eingeborene ganz in Musselin eingehüllt, und doch war der eine nicht nur ein Meister, sondern auch ein Mann, der mir und dem Leser wohlbekannt war: es war tatsächlich eben jener Junker von Ballantrae, von dessen Tapferkeit und Genie ich so oft sprechen mußte. Gerüchtweise hatte ich gehört, daß er nach Indien gefahren war, obgleich ich ihn nie getroffen hatte und wenig von seinem Leben wußte. Kaum hatte ich ihn erkannt und wußte mich in den Händen eines so alten Kameraden, als ich meine Leiden für beendet hielt. Ich trat ohne Scheu in das volle Licht des Mondes, der außerordentlich stark schien, rief Ballantrae beim Namen und unterrichtete ihn mit wenigen Worten über meine mißliche Lage. Er wandte sich um, keineswegs überrascht, blickte mir gerade ins Gesicht, während ich sprach, und als ich geendet hatte, redete er seinen Begleiter in dem barbarischen Eingeborenendialekt an. Diezweite Person, von äußerst zarter Erscheinung, mit Beinen wie Spazierstöcke und Fingern wie der Griff einer Tabakspfeife,
Anm. Mr. Mackellars: Offenbar Secundra Daß. E. Mc.
erhob sich nun.
»Der Sahib«, sagte er, »verstehen nicht englische Sprache. Ich verstehen selbst, und ich sehen, Sie machen eine kleine Fehler – oh! was mag geschehen sehr oft. Aber der Sahib wäre glücklich zu wissen, wie Sie kommen in ein Garten.«
»Ballantrae!« rief ich, »besitzen Sie die verfluchte Unverschämtheit, mich von Angesicht zu Angesicht zu verleugnen?«
Ballantrae bewegte keinen Muskel, er starrte mich an wie ein Götzenbild in einer Pagode.
»Der Sahib verstehen nicht englische Sprache«, sagte der Eingeborene verschlagen wie zuvor. »Der Sahib wäre glücklich zu wissen, wie Sie kommen in ein Garten.«
»Oh! Der Teufel hole ihn!« rief ich. »Er wäre froh zu wissen, wie ich in den Garten komme? Nun, lieber Mann, habt die Liebenswürdigkeit, dem Sahib mit besten Empfehlungen zu erzählen, daß wir zwei Soldaten sind, die er nie gesehen und von denen er nie gehört hat. Aber der Sepoy ist ein verteufelter Kerl, und auch ich bin ein verteufelter Kerl. Und wenn wir nicht ein gutes Fleischgericht, einen Turban, Pantoffeln und Kleingeld im Wert eines Goldstückes zu unserer Verfügung erhalten, verdammt, mein Junge, dann werden wir die Hand anlegen an einen Garten, in dem Unheil geschehen wird.«
Sie führten die Komödie so weit, daß sie sich inzwischen hindustanisch unterhielten, und dann sagte der Hindu mit demselben Lächeln, aber auch mit einem Seufzer, als wenn er es satt hätte, alles zu wiederholen: »Der Sahib wäre glücklich zu wissen, wie Sie kommen in ein Garten.«
»Ist das die Art?« rief ich und legte die Hand an den Schwertknauf, indem ich den Sepoy aufforderte, vom Leder zu ziehen.
Ballantraes Hindu, immer noch lächelnd, zog eine Pistole aus dem Busen, und obgleich Ballantrae selbst keinen Muskel bewegte, wußte ich sehr genau, daß er auf alles gefaßt sei.
»Der Sahib denken, Ihr besser fortgehen!« sagte der Hindu.
Nun, um aufrichtig zu sein, so dachte ich das auch, denn das Krachen einer Pistole würde uns beide an den Galgen gebracht haben, so wahr Gott lebt.
»Sagt dem Sahib, daß ich ihn nicht als Gentleman betrachte«, sagte ich und wandte mich mit
Weitere Kostenlose Bücher