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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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vorgerückten Alter ein ziemlich anspruchsvoller Beamter war. Gegen den siebenten Lord Durrisdeer, mit dem wir auf alle Fälle nichts zu tun haben, wird nichts Bemerkenswertes ins Treffen geführt. R. L. S.)
    ... Wir fürchteten damals, er würde in der Person seines Sohnes eine zweite Ausgabe seines Bruders heranzüchten. Die Lady hatte versucht, einige wohltuende Strenge walten zu lassen, aber sie war froh, das bald wieder aufgeben zu können, und blickte jetzt mit heimlicher Enttäuschung allem zu. Manchmal sprach sie andeutungsweise darüber zu mir, und manchmal, wenn sie Kenntnis erhielt von einer ungeheuerlichen Nachsichtigkeit des Lords, verriet sie sich durch eine Geste odereinen Ausruf. Ich selbst wurde von dem Gedanken Tag und Nacht verfolgt, nicht so sehr im Interesse des Kindes, als vielmehr in dem des Vaters. Der Mann war in Schlaf verfallen, er träumte einen Traum, und ein rauhes Erwachen mußte unweigerlich tödlich wirken. Daß er eine Enttäuschung überleben würde, war unmöglich, und ich bedeckte mein Antlitz aus Furcht vor einer Entehrung seiner Liebe.
    Diese ständige Sorge peinigte mich so, daß ich schließlich den Mut fand zu widersprechen, ein Ereignis, das wert ist, genau berichtet zu werden. Eines Tages saßen der Lord und ich an einem Tisch bei einer langweiligen Geschäftsangelegenheit. Ich sagte schon, daß er das frühere Interesse an solchen Dingen verloren hatte, er war offenbar verärgert und wollte gehen, er sah mißmutig, gelangweilt und, wie mir schien, auch älter aus, als ich je zuvor festgestellt hatte. Ich glaube, sein unglückliches Gesicht veranlaßte mich plötzlich zu meinem Vorstoß.
    »Mein Lord«, sagte ich, während ich den Kopf senkte und so tat, als ob ich mit meiner Beschäftigung fortführe, »oder gestatten Sie mir lieber, Sie wieder Mr. Henry anzureden, denn ich fürchte Ihren Zorn und möchte, daß Sie sich der alten Zeiten erinnerten –«
    »Mein guter Mackellar«, sagte er, und zwar in einem Ton, der so liebenswürdig war, daß ich mein Vorhaben beinahe aufgegeben hätte. Aber ich erinnerte mich, daß ich zu seinem Besten sprechen wollte, und fuhr hartnäckig fort.
    »Haben Sie sich jemals überlegt, was Sie tun?«
    »Was ich tue?« wiederholte er, »ich habe Rätsel nie gut lösen können.«
    »Was Sie mit Ihrem Sohn tun!« sagte ich.
    »Nun«, rief er etwas mißtrauisch aus, »was tue ich denn mit meinem Sohn?«
    »Ihr Vater war ein sehr guter Mensch«, sagte ich und wich vom direkten Wege ab, »aber glauben Sie, daß er ein weiser Vater war?«
    Er schwieg eine Weile, bevor er antwortete, und dann sagte er: »Ich sage nichts gegen ihn. Ich hätte vielleicht viel Grund dazu, aber ich sage nichts.«
    »Sehen Sie, das ist es«, entgegnete ich, »Grund hätten Sie also auf alle Fälle. Und doch war Ihr Vater ein guter Mann, ich habe nie einen besseren kennengelernt, bis auf den einen Punkt, und nie einen klügeren. Wo er stolperte, kann ein anderer leicht fallen. Er besaß zwei Söhne –«
    Der Lord schlug plötzlich heftig auf den Tisch.
    »Was soll das?« schrie er. »Sprechen Sie!«
    »Gut, ich will es«, sagte ich, aber meine Stimme wurde vom Hämmern meines Herzens beinahe erstickt. »Wenn Sie fortfahren, Mr. Alexander zu verziehen, werden Sie in die Fußtapfen Ihres Vaters treten. Hüten Sie sich, mein Lord, daß Ihr Sohn, wenn er aufwächst, nicht in die des Junkers tritt!«
    Ich hatte nie die Absicht gehabt, die Sache so weit zu treiben, aber im Zustand der äußersten Furcht besitzt man eine Art grausamen Mutes, den grausamsten überhaupt, und ich verbrannte meine Schiffe, als ichdiese Worte sprach. Eine Antwort habe ich nicht bekommen. Als ich meinen Kopf hob, war der Lord aufgestanden, und im nächsten Augenblick schlug er heftig zu Boden. Der Anfall dauerte nicht sehr lange, er kam halbwegs zu sich, legte die Hand auf den Kopf, den ich stützte, und sagte mit gebrochener Stimme: »Ich bin krank«, und etwas später: »Helfen Sie mir.« Ich richtete ihn auf, und er hielt sich ziemlich gut, obgleich er sich am Tisch festklammerte. »Es ging mir schlecht, Mackellar«, sagte er. »Etwas zerbrach, Mackellar, oder ich selbst zerbrach, und dann verschwamm alles. Ich glaube, ich war sehr zornig. Nehmen Sie es nicht übel, Mackellar, nehmen Sie es nicht übel, guter Freund. Kein Haar auf Ihrem Haupte möchte ich krümmen. Wir haben zuviel miteinander erlebt, zwischen uns besteht ein gewisses Etwas ... aber ich denke, Mackellar, ich will zu Mrs. Henry

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