Der Junker von Ballantrae
gehen – ich denke, ich will zu Mrs. Henry gehen«, sagte er und schritt ziemlich aufrecht aus dem Zimmer, während ich von Reue übermannt zurückblieb.
Bald darauf flog die Tür auf, die Lady stürzte mit brennenden Augen herein und rief: »Was soll das alles? Was haben Sie meinem Gemahl angetan? Werden Sie nie Ihre Stellung in diesem Hause begreifen? Werden Sie nie aufhören, sich in alle möglichen Dinge einzumischen?«
»Gnädige Frau«, sagte ich, »seit ich in diesem Hause bin, habe ich viele harte Worte entgegengenommen. Zeitweise waren sie mein tägliches Brot, und ich schluckte sie alle hinunter. Was den heutigen Tag anbetrifft, somögen Sie mich schelten, so viel Sie wollen: nie werden Sie Worte finden, die meinen Mißgriff scharf genug kennzeichnen. Und doch meinte ich es gut.«
Ich erzählte ihr alles ohne Beschönigung, wie ich es hier beschrieben habe, und als sie mich angehört hatte, wurde sie nachdenklich, und ich konnte bemerken, daß ihre Erregung gegen mich nachließ. »Ja«, sagte sie, »Sie haben es gut gemeint, ich hatte selbst schon den Gedanken gefaßt, oder vielmehr, ich wäre beinahe derselben Versuchung unterlegen, und das läßt mich Ihnen verzeihen. Aber, guter Gott, können Sie nicht verstehen, daß er nicht mehr ertragen kann? Er kann nicht mehr ertragen!« rief sie aus. »Der Bogen ist bis zum Äußersten gespannt. Was geht uns die Zukunft an, wenn er nur ein paar gute Tage erlebt?«
»Amen«, sagte ich, »ich werde mich nicht mehr einmischen und bin glücklich genug, daß Sie meine gute Absicht anerkennen.«
»Ja«, sagte die Lady, »aber wenn ich es recht überlege, hat Ihr Mut Sie im Stich gelassen, wie ich annehme, denn was Sie gesagt haben, haben Sie sehr grausam gesagt.« Sie hielt eine Weile inne, blickte mich an, lächelte plötzlich ein wenig und sagte ein sonderbares Wort: »Wissen Sie, was Sie sind, Mr. Mackellar? Sie sind eine alte Jungfer!«
Nichts von Bedeutung ereignete sich in der Familie weiterhin, bis zur Rückkehr jenes unglückseligen Menschen, des Junkers. Aber ich muß hier einen zweiten Auszug geben aus den Memoiren des Chevalier Burke, der, an sich schon interessant, für meine Absichten abervon größter Wichtigkeit ist. Es ist der einzige Einblick in die Reisen des Junkers in Indien, und die erste Erwähnung von Secundra Daß. Eine Tatsache, so wird man feststellen, erhellt hier sehr deutlich, die uns viel Unheil und Kummer erspart hätte, wenn wir sie zwanzig Jahre früher gewußt hätten: daß Secundra Daß Englisch sprach.
Siebentes Kapitel: Abenteuer des Chevalier Burke in Indien (Auszug aus seinen Memoiren)
Hier war ich also auf den Straßen jener Stadt, an deren Namen ich mich nicht erinnern kann, während ich ihre Lage so wenig kannte, daß ich nicht wußte, ob ich mich nach Süden oder nach Norden wenden sollte. Der Alarm war so plötzlich geschlagen worden, daß ich ohne Schuhe und Strümpfe fortgerannt war. Mein Hut war mir im Handgemenge vom Kopf gestoßen worden, meine Ausrüstung war in Händen der Engländer, niemand war bei mir außer einem Sepoy, ich hatte keine Waffe außer meinem Schwert, und keinen verteufelten Heller in der Tasche. Kurzum, ich war wie einer jener Kerle, mit denen uns Mr. Galland in seinen eleganten Geschichten bekannt macht. Diese Leute begegnen immer wieder, wie man sich entsinnen wird, den außerordentlichsten Abenteuern, und ich selbst sollte ein so erstaunliches erleben, daß ich es beim besten Willen heute noch nicht erklären kann.
Der Sepoy war ein durchaus ehrlicher Mensch. Er hatte viele Jahre unter der französischen Fahne gedient und hätte sich für jeden der tapferen Landsleute von Mr. Lally in Stücke hauen lassen. Es ist derselbe Bursche, sein Name ist mir völlig entfallen, von dem ich bereits ein überraschendes Beispiel von Seelengröße erzählt habe: er fand Mr. de Fessac und mich auf den Verteidigungswällen, vollständig betrunken, und deckte uns mit Stroh zu, als der Kommandant vorbei kam. Ich besprach also die Lage vollkommen freimütig mit ihm. Es war eine schwierige Frage, was zu tun sei, aber schließlich faßten wir den Entschluß, über eine Gartenmauer zu klettern, wo wir gewiß im Schatten der Bäume schlafen konnten und vielleicht Gelegenheit hatten, ein Paar Pantoffeln und einen Turban zu finden. In jenem Teil der Stadt hatten wir nur die Qual der Wahl, denn das ganze Viertel bestand aus eingezäunten Gärten, und die Gassen, die dazwischen lagen, waren zu dieser Nachtstunde
Weitere Kostenlose Bücher