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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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hoher Stirn und einem verschleierten Auge. Mehrere Bündel und ein kleiner Koffer lagen auf dem Boden, und wenn man nach der Geringfügigkeitdes Gepäcks und dem Zustand der Schuhe des Junkers, die von einem skrupellosen Landschuster roh zusammengeflickt waren, urteilen sollte, so hatte die Sünde sich nicht gelohnt.
    Bei meinem Eintreten stand er auf, unsere Augen trafen sich, und ich weiß nicht, warum es geschah, aber mein Mut erhob sich wie eine Lerche an einem Maienmorgen.
    »Aha!« rief ich. »Sie sind es?« und die Unbefangenheit meiner eigenen Stimme gefiel mir.
    »Ja, ich bin es tatsächlich, würdiger Mackellar«, erwiderte der Junker.
    »Diesmal haben Sie den schwarzen Teufel sichtbar im Nacken«, erwiderte ich.
    »Meinen Sie Secundra Daß?« fragte der Junker. »Gestatten Sie, daß ich vorstelle. Er ist ein eingeborener Edelmann aus Indien!«
    »Hm!« sagte ich. »Ich liebe weder Sie noch Ihre Freunde sehr, Mr. Bally, aber ich werde etwas Tageslicht hereinlassen und Sie mir ansehen.« Und während ich das sagte, öffnete ich die Läden des Ostfensters. Im Licht des Morgens konnte ich feststellen, daß der Mann sich verändert hatte. Später, als wir alle zusammensaßen, war ich noch mehr überrascht, wie wenig die Zeit ihn mitgenommen hatte, aber der erste Eindruck war ein anderer.
    »Sie werden alt«, sagte ich.
    Ein Schatten fiel über sein Gesicht. »Wenn Sie sich selbst sehen könnten«, antwortete er, »würden Sie das nicht erwähnen.«
    »Pah!« entgegnete ich. »Für mich bedeutet das Alter nichts. Ich glaube, ich bin immer alt gewesen, und ich bin jetzt, Gott sei Dank, richtiger erkannt und mehr geachtet. Nicht jeder kann das von sich sagen, Mr. Bally! Die Linien auf Ihrer Stirn deuten auf Unglück, Ihr Leben beginnt sich wie ein Gefängnis um Sie zu schließen, der Tod wird bald an Ihre Tür klopfen, und ich sehe nicht, aus welcher Quelle Sie Trost schöpfen könnten.«
    Hier wandte sich der Junker auf hindustanisch an Secundra Daß, woraus ich entnahm – und ich will offen gestehen, mit einem hohen Grad der Befriedigung –, daß meine Bemerkungen ihn ärgerten. Während der ganzen Zeit waren meine Gedanken, wie man sich vorstellen kann, mit anderen Dingen beschäftigt, auch, als ich meinen Feind schmähte, und zwar besonders damit, wie ich meinen Herrn heimlich und rasch unterrichten könnte. Darauf verwandte ich nun mein ganzes Nachdenken während der Atempause, die mir gegeben wurde. Aber plötzlich, als ich meine Augen wandte, bemerkte ich, daß der Lord selbst in der Türöffnung stand, und zwar allem Anschein nach gänzlich gefaßt. Er war meinem Blick kaum begegnet, als er über die Schwelle trat. Der Junker hörte ihn kommen und ging ihm seinerseits entgegen. In einem Abstand von ungefähr vier Fuß hielten die Brüder inne und wechselten ruhige Blicke. Dann lächelte der Lord, verbeugte sich leicht und wandte sich jäh ab.
    »Mackellar«, sagte er, »wir müssen Frühstück für diese Reisenden besorgen.«
    Offenbar war der Junker ein wenig verwirrt, aber er gewann um so rascher die Unverschämtheit seiner Sprache und seines Benehmens zurück. »Ich bin hungrig wie ein Geier«, sagte er, »besorge etwas Gutes, Henry.«
    Der Lord wandte sich ihm mit demselben starren Lächeln wieder zu. »Lord Durrisdeer«, sagte er.
    »Oho! Nicht im Kreis der Familie«, erwiderte der Junker.
    »Jedermann in diesem Hause redet mich mit meinem richtigen Titel an«, sagte der Lord. »Wenn du eine Ausnahme machen willst, gebe ich dir zu bedenken, welchen Eindruck es auf Fremde machen wird, und ob man es nicht als Ausfluß ohnmächtiger Eifersucht auslegen wird.«
    Ich hätte vor Freude in die Hände klatschen mögen, um so mehr, als der Lord ihm keine Zeit zur Antwort ließ, sondern sofort die Halle verließ, indem er mich durch ein Zeichen aufforderte ihm zu folgen.
    »Kommen Sie rasch«, sagte er, »wir haben Ungeziefer aus dem Hause zu entfernen.« Und er eilte mit so raschen Schritten durch die Gänge, daß ich ihm kaum folgen konnte. Er ging direkt zur Tür John Pauls, öffnete sie ohne anzuklopfen und trat ein. John lag anscheinend in tiefem Schlummer, aber der Lord gab nicht erst vor, ihn wecken zu müssen.
    »John Paul«, sagte er, indem er so ruhig wie je zuvor sprach, »du hast meinem Vater lange gedient, sonst würde ich dich wie einen Hund aus dem Hause jagen. Wenn du in einer halben Stunde verschwunden bist,sollst du auch weiterhin deinen Lohn in Edinburgh erhalten. Treibst du dich aber hier

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