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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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sich die Gesellschaft auf ihre verschiedenen Schlafzimmer. Ich blieb bis zuletzt beim Junker. Wir hatten ihn neben dem Inder im Nordflügel einquartiert, weil er am weitesten entfernt lag und durch Türen von dem Haupthaus abgetrennt werden konnte. Ich beobachtete, daß er ein liebenswürdiger Freund oder ein guter Herr (wie er immer gewesen sein mag) gegenüber seinem Secundra Daß war. Er war auf seine Bequemlichkeit bedacht, schürte das Feuer mit eigener Hand, da der Inder sich über die Kälte beklagte, fragte nach dem Reis, von dem der Fremdling lebte, sprach freundlich mit ihm auf hindustanisch, während ich mit der Kerze in der Hand dabeistand und so tat, als sei ich von Müdigkeit übermannt. Schließlich bemerkte der Junker die Anzeichen meiner Mißmutigkeit und sagte: »Ich sehe, daß Sie Ihre alten Gewohnheiten beibehalten haben: früh zu Bett und früh wieder hoch. Gähnt Euch von dannen!«
    Sobald ich auf meinem Zimmer war, machte ich die gewohnheitsmäßige Bewegung des Auskleidens, um die Zeit richtig abzuschätzen, und als sie verstrichen war, legte ich mein Feuerzeug zurecht und blies die Kerze aus. Ungefähr eine Stunde später machte ich wieder Licht, zog meine Filzschuhe an, die ich am Krankenbett meines Lords getragen hatte, und schlich ins Haus, um die Reisenden zusammenzurufen. Alle waren angekleidet und warteten: der Lord, die Lady, Miß Katharine, Mr.Alexander und die Zofe der Lady, Christie. Ich beobachtete die Wirkung heimlichen Tuns selbst bei diesen ganz unschuldigen Personen, die nacheinander mit wachsbleichen Gesichtern im Türrahmen erschienen. Wir schlüpften durch den Seitenausgang in die stockfinstere Nacht hinaus, die kaum durch einen oder zwei Sterne erhellt war, so daß wir zuerst stolperten und taumelten und in das Buschwerk fielen. Einige hundert Meter den Waldpfad hinauf wartete Macconochie mit einer großen Laterne, so daß der Rest des Weges uns ziemlich leicht wurde; aber trotzdem schwiegen alle, als ob sie schuldig seien. Ein Stück oberhalb der Abtei mündete der Weg in die Hauptstraße, und ungefähr eine Viertelmeile weiter sahen wir bei dem Ort, der Eagles genannt wird, wo die Sümpfe beginnen, die Lichter zweier Wagen leuchten an der Wegseite. Beim Abschied wurden nur wenige Worte gewechselt, und diese betrafen geschäftliche Angelegenheiten. Wir reichten uns nun schweigend die Hände, wandten unsere Gesichter ab, und alles war vorüber, die Pferde setzten sich in Trab, das Laternenlicht hüpfte wie ein Irrlicht über das aufgebrochene Moorland und verschwand hinter Stony Brae. Macconochie und ich waren mit unserer Laterne allein auf der Straße. Wir wollten warten, bis die Kutsche bei Cartmore wieder auftauchte. Es schien uns, als ob sie auf dem Gipfel anhielten, ein letztes Mal zurückblickten und unsere Laterne sahen, die von dem Trennungsort noch nicht weit entfernt war, denn sie nahmen ein Wagenlicht und hoben und senkten es dreimal wie zum Abschiedsgruß. Und dann waren sie wirklich fort, siehatten zum letzten Male das freundliche Dach von Durrisdeer gesehen und richteten nun ihre Blicke auf ein barbarisches Land. Ich wußte früher nichts von der gewaltigen Wölbung der Nacht, in der wir beiden armen dienenden Menschen – der eine alt und der andere ältlich – zum ersten Male verlassen dastanden. Nie zuvor habe ich meine Abhängigkeit von der Haltung anderer Menschen so sehr empfunden. Das Gefühl der Verlassenheit brannte wie Feuer in meinen Eingeweiden. Es schien mir, als ob wir, die wir zu Hause zurückblieben, in Wirklichkeit die Verbannten seien, und als ob Durrisdeer und Solwayside und alles, was mir das Land heimatlich, seine Luft süß und seine Sprache angenehm machte, von mir geflohen und jenseits des Meeres mit meinen alten Herrschaften weilte.
    Den Rest der Nacht verbrachte ich, indem ich auf der sandigen Landstraße auf und ab lief und über Zukunftund Vergangenheit nachdachte. Meine Gedanken, die zunächst sehnsüchtig bei denen weilten, die soeben fortgezogen waren, wurden mannhafter, als ich bedachte, was mir zu tun übrigblieb. Der Tag kam herauf über die Berggipfel des Landes, die Hähne begannen zu krähen und der Rauch aufzusteigen von den Hütten im braunen Schoß des Moores, bevor ich meine Schritte heimwärts lenkte und den Weg hinunterschritt, dorthin, wo das Dach von Durrisdeer in der Morgendämmerung an der See heraufschimmerte.
    Zur üblichen Stunde ließ ich den Junker wecken und erwartete ihn ruhigen Gemütes in der Halle. Er

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