Der Junker von Ballantrae
wenn schließlich nach langen Jahren dem Charakter und der Begabung eines Menschen späte Gerechtigkeit widerfährt. Aber ich will mich nicht entschuldigen. Ich bin zu tadeln, ich ließ mich von ihm umgarnen, kurzum, der Wachthund war nahe daran einzuschlafen, als er plötzlich aufgeschreckt wurde.
Ich muß bemerken, daß der Inder ständig im Hause auf und ab wanderte. Er sprach niemals außer in seiner eigenen Mundart und mit dem Junker, ging lautlos umher und tauchte stets auf, wenn man ihn am wenigsten erwartete, in tiefen Gedanken verloren, aus denen er auffuhr, wenn man kam, um einen mit seiner kriechenden Verbeugung zu verhöhnen. Er schien so ruhig, so gebrechlich und so eingesponnen in seine eignen Phantasien, daß ich ihn kaum noch beachtete oder sogar bemitleidete, als harmlosen Verbannten seines Heimatlandes. Und doch lauschte diese Kreatur überall umher, und zweifelsohne wurde dem Junker durch seineVerschlagenheit und meine Sicherheit unser Geheimnis verraten.
Es war in einer stürmischen Nacht, nach dem Abendessen, als wir in fröhlicherer Laune als sonst zusammengesessen hatten, da wurde mir der Hieb versetzt.
»Alles dies ist sehr nett«, sagte der Junker, »aber wir täten besser daran, unsere Bündel zu schnüren.«
»Warum?« rief ich aus. »Wollen Sie abreisen?«
»Wir werden alle morgen früh abreisen«, sagte er, »zunächst nach dem Hafen von Glasgow und von dort zur Provinz New York.«
Ich glaube, daß ich laut aufstöhnte.
»Ja«, fuhr er fort, »ich habe mich gebrüstet; ich sagte eine Woche, aber es hat mich ungefähr zwanzig Tage gekostet. Nun gut, ich werde die Zeit wieder einholen und um so rascher reisen.«
»Haben Sie Geld für die Überfahrt?« fragte ich.
»Teurer und schlauer Mensch, ich habe es«, antwortete er. »Wenn es Ihnen beliebt, mögen Sie mich wegen meiner Falschheit anklagen, aber während ich einzelne Schillinge von meinem Väterchen herauspreßte, besaß ich ein eigenes Vermögen, das ich mir für schlimme Tage beiseitegelegt hatte. Sie werden Ihre eigene Überfahrt bezahlen müssen, wenn Sie uns auf unserem Flankenmarsch begleiten wollen. Ich besitze genug für Secundra und mich, aber nicht mehr. Genug, um gefährlich, nicht genug, um großherzig zu sein. Auf dem Wagen ist jedoch ein Außensitz, den ich Ihnen gegen geringe Entschädigung überlassen werde, so daß dieganze Menagerie zusammen fortziehen kann: der Haushund, der Affe und der Tiger.«
»Ich gehe mit Ihnen«, sagte ich.
»Ich rechne damit«, antwortete der Junker. »Sie haben mich betrogen gesehen, und ich möchte, daß Sie mich auch siegreich sehen. Um das zu erreichen, will ich es riskieren, Sie in diesem stürmischen Wetter wie einen Schwamm zu durchnässen.«
»Und schließlich«, fügte ich hinzu, »wissen Sie sehr genau, daß Sie mich nicht loswerden können.«
»Nicht leicht«, sagte er, »Sie haben mit Ihrem ausgezeichneten Menschenverstand den Finger auf den entscheidenden Punkt gelegt. Ich kämpfe nie gegen das Unvermeidliche.«
»Ich nehme an, daß es zwecklos ist, auf Sie einzureden«, sagte ich.
»Vollkommen, glauben Sie mir«, erwiderte er.
»Und doch, wenn Sie mir Zeit ließen, könnte ich schreiben –«, begann ich.
»Und wie würde die Antwort Lord Durrisdeers ausfallen?« fragte er.
»Allerdings«, gestand ich, »das ist die Schwierigkeit.«
»Jedenfalls ist es viel wirkungsvoller, wenn ich selbst gehe!« sagte er. »Aber alles dies ist nur Zeitverschwendung, um sieben Uhr morgen früh wird der Wagen vor der Tür sein. Denn ich reise ab, von der Tür ab, Mackellar, ich wate nicht durch Wälder und besteige nicht meinen Wagen auf offener Straße – etwa bei Eagles.«
Mein Entschluß war jetzt gefaßt. »Können Sie mir eine Viertelstunde in St. Bride genehmigen?« fragte ich. »Ich habe mit Carlyle eine kleine notwendige geschäftliche Angelegenheit zu erledigen.«
»Eine Stunde, wenn Sie es wünschen«, sagte er. »Ich will nicht leugnen, daß das Geld für Ihren Wagensitz wichtig für mich ist, und Sie könnten mit Reitpferden natürlich schneller nach Glasgow gelangen.«
»Nun«, sagte ich, »ich hätte nie geglaubt, das liebe, alte Schottland verlassen zu müssen.«
»Ich werde Sie aufheitern«, erwiderte er.
»Für einen von uns wird es eine böse Fahrt sein«, sagte ich, »und ich denke: für Sie. Etwas redet in meinem Herzen, und so viel empfinde ich deutlich, daß diese Reise unter schlimmen Vorzeichen begonnen wird.«
»Wenn Sie sich auf Prophezeiungen
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