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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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gut«, sagte Mr. Carlyle, »die Vollmachten, die Sie zurücklassen –«, er brach ab. »Mr. Mackellar, wir haben ziemlich schwere Pflichten zu erfüllen.«
    »Ohne Zweifel«, erwiderte ich.
    »Ohne Zweifel«, sagte er. »Mr. Bally soll nichts zu sagen haben?«
    »Er soll nichts zu sagen haben«, sagte der Lord, »und wird hoffentlich auch keinen Einfluß haben. Mr. Bally ist kein guter Ratgeber.«
    »Ich begreife«, sagte der Anwalt. »Nebenbei, besitzt Mr. Bally Vermögen?«
    »Soviel ich weiß, nichts«, erwiderte der Lord. »Ich bewillige ihm Unterhalt, Feuer und Licht in diesem Hause.«
    »Und Taschengeld? Wenn ich die Verantwortung teilen soll, werden Sie verstehen, wie wünschenswert es ist, wenn ich Ihre Ansichten genau kenne«, sagte der Anwalt.
    »Wie steht es also mit einem Taschengeld?«
    »Ein Taschengeld wird nicht gezahlt«, sagte der Lord. »Ich wünsche, daß Mr. Bally sehr zurückgezogen lebt, wir sind nicht immer mit seinem Benehmen zufrieden gewesen.«
    »Und in Geldangelegenheiten«, fügte ich hinzu, »hat er sich als ehrloser und schlechter Sachwalter bewiesen. Werfen Sie ein Auge auf jene Liste, Mr. Carlyle, wo ich die verschiedenen Summen zusammengetragen habe, die der Mensch in den letzten fünfzehn oder zwanzig Jahren unserm Vermögen entzogen hat. Die Gesamtsumme ist erschreckend.«
    Mr. Carlyle tat, als ob er pfeifen wollte. »Davon hatte ich keine Ahnung«, sagte er. »Entschuldigen Sie nochmals, mein Lord, wenn ich Sie zu drängen schien, aber es ist wirklich wünschenswert, daß ich Ihre Absichten voll erkenne. Mr. Mackellar könnte sterben, und ich allein würde dann die Verantwortung haben. Würden Sie es nicht vorziehen, mein Lord, wenn Mr. Bally – hm – das Land verließe?«
    Der Lord schaute Mr. Carlyle an. »Warum fragen Sie das?« sagte er.
    »Ich nehme an, mein Lord, daß Mr. Bally für seine Familie keine Annehmlichkeit bedeutet«, sagte der Anwalt lächelnd.
    Das Gesicht des Lords war plötzlich zugeknöpft. »Ich wollte, er führe zum Teufel!« rief er und schenkte sich mit zitternder Hand ein Glas Wein ein, das zur Hälfte auf seine Brust spritzte. Dies war das zweitemal, daß seine Erregung ihn fortriß, mitten in einer sonst ruhigen und klugen Unterredung. Mr. Carlyle war überrascht und beobachtete den Lord von jetzt an mit heimlicher Neugier. Mir aber gab es die Gewißheit wieder, daß wir die Gesundheit und den Verstand des Lords schützten, wenn wir unsere Entschlüsse ausführten.
    Abgesehen von diesem Ausbruch wurde das Gespräch glücklich zu Ende geführt. Ohne Zweifel würde Mr. Carlyle nach und nach einiges verlauten lassen, wie Rechtsanwälte es zu tun pflegen. Auf diese Weise würde, wie wir überzeugt sein konnten, in der Umgebung allmählich eine bessere Stimmung uns gegenüber sich breitmachen, und das Benehmen jenes Menschen selbst würde ohne Zweifel vollenden, was wir begonnen hatten. Noch bevor er Abschied nahm, bewies uns der Anwalt, daß die Wahrheit draußen bereits etwas aufdämmerte.
    »Ich sollte Ihnen vielleicht erklären, mein Lord«, sagte er nach einer Weile, als er den Hut schon in der Hand hatte, »daß ich von den Maßnahmen gegenüber Mr. Bally nicht völlig überrascht wurde. Etwas über seinen Charakter sickerte durch, als er zuletzt in Durrisdeer war. Man sprach über eine gewisse Frau in St. Bride, gegen die Sie sich außerordentlich anständig, Mr. Bally aber ziemlich grausam benahm. Dann war es auch die Teilung des Erblehns, über die viel geredet wurde. Kurzum, es war kein Mangel an Gesprächsstoff, für und wider, und manche unserer Bierbankpolitiker vertraten heftig ihre verschiedenen Ansichten. Ich selbst hielt mich zurück, wie es meinem Amt geziemt, aber Mr. Mackellars Aufstellung hier hat mir die Augen endgültig geöffnet. Ich glaube nicht, Mr. Mackellar, daß Sie und ich die Zügel schleifen lassen werden.«
    Der Rest dieses bedeutungsvollen Tages verlief glücklich. Es war unsere Absicht, den Feind im Auge zu behalten, und ich teilte mich mit den anderen in die Aufgabe,ihn zu bewachen. Ich glaube, seine Stimmung hob sich, als er bemerkte, wie aufmerksam wir waren, während ich andererseits fühlte, wie die meinige deutlich schlechter wurde. Was mich am meisten beunruhigte, war die einzigartige Schläue des Menschen, in unsere Angelegenheiten einzudringen. Der Leser hat vielleicht nach einem Sturz vom Pferde die Hand des Masseurs kennengelernt, der alle Muskeln einzeln befühlt und prüft und dann herzhaft die verletzte

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