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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Stelle in Angriff nimmt. So war es mit des Junkers Zunge, die äußerst gewitzt zu fragen verstand, und mit seinen Augen, die äußerst scharf beobachteten. Ich glaubte nichts gesagt und doch alles verraten zu haben. Bevor ich es recht begriff, sprach der Mensch mir sein Beileid aus über die Vernachlässigung, die der Lord der Lady und mir angedeihen ließ und über die schädliche Nachsicht gegenüber seinem Sohn. Auf diesen letzten Punkt kam er immer wieder zurück, wie ich zu meinem Entsetzen bemerkte. Der Knabe war vor seinem Onkel etwas zurückgewichen; ich vermutete stark, daß der Vater töricht genug gewesen war, ihm das auf die Seele zu binden, was nicht sehr klug war. Und wenn ich den Mann vor mir ansah, immer noch schön, ein gewandter Sprecher, der unendlich viele Abenteuer zu erzählen hatte, wußte ich, daß er bestimmt in der Lage sei, die Phantasie eines Knaben zu fesseln. John Paul hatte erst am Morgen das Haus verlassen. Es war nicht anzunehmen, daß er über sein Lieblingsthema geschwiegen hatte, so daß Mr. Alexander in der Lage der Dido war und vor Neugier brannte, und hier warnun der Junker wie ein teuflischer Äneas, voll von Erzählungen, die für ein jugendliches Ohr die schönsten in der Welt sind: über Schlachten, Schiffsunfälle, Flucht vor dem Feinde, die Wälder des Westens und, seit der letzten Reise, die alten Städte Indiens. Wie schlau solche Lockspeisen verwandt und welch ein Königreich nach und nach im Herzen eines Knaben durch sie errichtet werden konnte, war mir sofort klar. Solange der Mensch in diesem Hause war, gab es kein Mittel, das stark genug war, die beiden auseinander zu halten, denn wenn es schwierig ist, Schlangen zu zähmen, so ist es nicht sehr schwer, ein kleines Menschenkind, das noch nicht lange Zeit Hosen trägt, zu entzücken. Ich erinnerte mich an einen alten Seemann, der in einem einsamen Hause wohnte jenseits der Figgate Whins – ich glaube, er nannte es Porto Bello –, zu dem die Knaben am Sonnabend von Leith aus herbeiströmten, und dem sie zu Füßen saßen, um seinen gewaltigen Erzählungen zu lauschen. Die jungen Leute scharten sich um ihn wie Krähen um einen Kadaver, was ich oft bemerkte, wenn ich als junger Student während meiner eigenen nachdenklicheren Feiertagserholung vorüberging. Viele der Knaben gingen ohne Zweifel hin trotz ausdrücklichen Verbots, viele fürchteten und haßten den alten Kerl sogar, den sie zu ihrem Helden machten, und ich habe gesehen, wie sie vor ihm flohen, wenn er angeheitert, und ihn steinigten, wenn er betrunken war. Und doch kamen sie jeden Sonnabend wieder! Um wieviel leichter würde ein Knabe wie Mr. Alexander unter den Einfluß eines gut aussehenden und glänzend erzählendenGentleman-Abenteurers geraten, der die Lust verspürte, ihn für sich zu gewinnen. Und wuchs der Einfluß, wie leicht konnte er ihn zum Verderben des Kindes benutzen!
    Ich bezweifle, ob unser Feind den Namen Alexander dreimal ausgesprochen hatte, bevor ich begriff, was ihm im Geiste vorschwebte – seine ganze Gedankenrichtung und die Erinnerung an die Vergangenheit stand mir plötzlich vor Augen –, und ich möchte sagen, daß ich zurückschreckte, als wenn ich auf einer Landstraße plötzlich einem breiten Graben begegnete. Mr. Alexander: das war der wunde Punkt, das war die Eva in unserem fragwürdigen Paradies, und die Schlange war bereits zischend in der Nähe.
    Ich kann versichern, daß ich nunmehr um so energischer alle Vorbereitungen traf, meine letzten Bedenken waren verschwunden, die Gefahr jeder Zögerung stand vor mir geschrieben in riesigen Buchstaben. Es will mir vorkommen, als ob ich von diesem Augenblick an nicht mehr gesessen oder Atem geschöpft hätte. Bald war ich auf meinem Posten beim Junker und seinem Inder, bald in der Dachstube beim Kofferpacken. Dann wieder sandte ich Macconochie durch ein Seitentor hinaus über den Waldweg, um ein Gepäckstück zum Treffpunkt zu tragen, und darauf beriet ich mich von neuem in einigen heimlichen Worten mit der Lady. Das war in Wirklichkeit unser Leben in Durrisdeer an jenem Tage, aber nach außen hin schien alles ganz geordnet, wie bei einer Familie auf dem heimatlichen Erbsitz, und wenn der Junker irgendeine Verwirrung bemerkt haben mag, so mußte er sie zurückführen auf die Überraschungdurch seine unvorhergesehene Ankunft und auf die Furcht, die er gewohnt war einzuflößen.
    Das Abendessen ging glimpflich vorüber, kalte Begrüßungen wurden ausgetauscht, und dann verzog

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