Der Junker von Ballantrae
Mackellar«, erwiderte er, »dann werden Sie einsehen, daß ich recht habe. Ihre eigene Hinterhältigkeit ist unverzeihlich. Wenn Sie können, leugnen Sie, daß Sie die Absicht hatten, dies Geld zu benutzen, um meine Befehle zu umgehen. Dann will ich Sie um Verzeihung bitten. Wenn Sie es nicht können, müssen Sie den Mut haben, Ihre Handlungsweise so bezeichnet zu sehen, wie es ihr zukommt.«
»Wenn Sie glauben, daß ich eine andere Absicht hatte als die, Sie zu schützen –«, begann ich.
»Oh! Mein alter Freund«, sagte er, »Sie wissen sehr gut, was ich denke. Hier ist meine Hand von ganzem Herzen. Aber Geld – keinen Heller!«
Da ich auf diese Weise besiegt worden war, ging ich sofort auf mein Zimmer, schrieb einen Brief, lief damit zum Hafen, denn ich wußte, daß ein Schiff gerade absegeln sollte, und kam kurz vor Dunkelwerden an der Tür des Junkers an. Ich trat ohne anzuklopfen ein und fand ihn mit dem Inder bei einem einfachen Mahl von Maismehl und etwas Milch am Tisch sitzen. Das Haus war sauber und ärmlich, nur ein paar Bücher auf einem Bord schmückten es, und in einer Ecke stand Secundras kleine Bank.
»Mr. Bally«, sagte ich, »ich besitze ungefähr fünfhundert Pfund in Schottland, die Ersparnisse eines harten Daseins. Mit jenem Schiff dort geht ein Brief ab, der diese Summe frei macht. Haben Sie Geduld, bis das Schiff zurückkehrt, dann gehört sie Ihnen unter denselben Bedingungen, die Sie heute morgen dem Lord anboten.«
Er stand vom Tisch auf, trat vor, faßte mich an den Schultern und sah mir lächelnd ins Gesicht.
»Und doch lieben Sie das Geld sehr!« sagte er. »Und doch lieben Sie das Geld mehr als alles andere, ausgenommen meinen Bruder!«
»Ich fürchte das Alter und die Armut«, erwiderte ich, »das ist eine andere Sache.«
»Ich will nicht über Worte streiten, nennen Sie es so«, antwortete er. »Ach! Mackellar, Mackellar, wenn alles das geschähe aus Liebe zu mir, wie glücklich wäre ich, Ihr Angebot annehmen zu können!«
»Und doch«, erwiderte ich eifrig, »ich sage es zu meiner Schande, ich kann Sie nicht ohne Mitleid an diesem ärmlichen Ort sehen. Es ist nicht mein einziger und nicht mein erster Gedanke, und doch ist es wahr! Ich wäre froh, Sie befreit zu sehen. Ich biete Ihnen das Geld nicht aus Liebe an, weit davon entfernt, aber doch, wofür Gott mein Zeuge ist, und worüber ich mich selbst wundere, ohne jede Feindschaft.«
»Ach!« sagte er und hielt meine Schulter, die er nun leise schüttelte, immer noch fest. »Sie halten mehr von mir, als Sie selbst wissen. Und worüber ich mich selbst wundere«, fügte er hinzu, indem er meine Worte wiederholteund, wie ich glaube, meinen Tonfall nachahmte, »Sie sind ein Ehrenmann, und darum schone ich Sie.«
»Mich schonen?« rief ich aus.
»Ich schone Sie«, wiederholte er, indem er mich losließ und sich abwandte. Dann sagte er, wieder zu mir gekehrt: »Sie wissen nicht, was ich mit dem Gelde tun wollte, Mackellar! Glauben Sie, daß ich meine Niederlage wirklich einstecke? Merken Sie sich: mein Leben war eine Reihe unverdienter Mißerfolge. Jener Narr, Prinz Charlie, verursachte das Mißlingen eines vielversprechenden Unternehmens: das war mein erstes Unglück. In Paris hatte ich meinen Fuß wiederum hoch oben auf der Leiter: damals war es ein Zufall, ein Brief kam in falsche Hände, und ich stand von neuem dem Nichts gegenüber. Noch ein drittes Mal bot sich mir eine Möglichkeit zum Aufstieg, in Indien schuf ich mir mit unendlicher Geduld eine Stellung, und dann kam Clive, mein Radscha wurde zugrunde gerichtet, und ich entfloh wie ein zweiter Äneas aus der allgemeinen Verwirrung mit Secundra Daß auf dem Rücken. Dreimal hatte ich meinen Fuß auf der höchsten Leiterstufe, und ich bin noch nicht dreiundvierzig Jahre alt. Ich kenne die Welt, wie wenige Menschen sie kennen, wenn sie reif sind zum Sterben: das Hofleben und das Lager, den Osten und den Westen, ich weiß, wohin ich gehen muß, ich sehe tausend Möglichkeiten. Ich bin jetzt in der Fülle meiner Kraft, gesund und von grenzenlosem Ehrgeiz. Nun, auf alles das verzichte ich, es liegt mir nichts daran zu sterben und daß die Welt nichts wieder vonmir hört. Nur an einer Sache liegt mir noch, und die will ich erreichen! Sehen Sie sich vor, damit Sie nicht, wenn das Dach einstürzt, auch unter den Trümmern begraben werden.«
Als ich das Haus verließ, ohne jede Hoffnung auf die Möglichkeit einer Vermittlung, bemerkte ich eine gewisse Bewegung am Kai, und als
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