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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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dem Wasser, blieb er eine Zeitlang stehen und lehnte sich auf seinen Stock. Es war die Stunde, da der Junker drinnen auf dem Tisch saß und seine Nadel führte. So starrten diese beiden Brüder mit harten Gesichtern einander an, und dann setzte sich der Lord lächelnd wieder in Bewegung.
    Nur zweimal mußte ich das undankbare Amt eines Spions versehen. Dann war ich aufgeklärt über den Zweck der Wanderungen des Lords und die geheime Ursache seines Entzückens. Das also war seine Geliebte: es war der Haß und nicht die Liebe, der ihm gesunde Farben verlieh. Manche Moralisten hätten bei dieser Entdeckung erleichtert aufgeatmet, aber ich gestehe, daß ich entsetzt war. Ich fand das Verhältnis dieser beiden Brüder nicht nur jämmerlich an sich, sondern sah auch Möglichkeiten großen, zukünftigen Unheils. Ich machte es mir zur Gewohnheit, soweit meine Beschäftigung es mir erlaubte, einen kürzeren Weg einzuschlagen und stillschweigend dem Zusammentreffen beizuwohnen. Als ich eines Tages etwas zu spät kam, nachdem ich eine Woche verhindert gewesen war, stellte ich zu meinem Erstaunen eine neue Entwicklung fest. Ich mußte bemerken, daß vor dem Haus des Junkers eine Bank stand, wo Kunden sich niedersetzen konnten, um mit dem Ladenbesitzer zu plaudern. Hier nun fand ich den Lord sitzen, mit dem Handstock spielend, wie er vergnügtauf die Bucht hinausblickte. Nicht drei Fuß von ihm entfernt saß nähend der Junker. Keiner sprach, noch warf der Lord in dieser neuen Situation auch nur einen Blick auf seinen Feind. Er kostete die Nähe vermutlich noch inniger aus durch das bloße Beisammensein und schlürfte den Trunk des Hasses zweifelsohne in vollen Zügen.
    Kaum war er aufgestanden, als ich mich ihm offen näherte.
    »Mein Lord, mein Lord«, sagte ich, »das ist nicht die Art sich zu benehmen.«
    »Ich werde fett dabei«, erwiderte er, und nicht nur diese Worte, die sonderbar genug waren, sondern der ganze Charakter seines Gsichtsausdruckes stießen mich ab.
    »Ich warne Sie, mein Lord, vor dieser Hingabe an niedrige Gefühle«, sagte ich. »Ich weiß nicht, ob sie für die Seele oder für den Verstand gefährlicher sind, aber sie werden beide töten.«
    »Sie können das nicht verstehen«, sagte er, »Sie haben niemals solche Berge von Bitterkeit auf ihrem Herzen getragen.«
    »Und wenn sonst nichts geschieht«, fügte ich hinzu, »werden Sie den Mann bestimmt zum Äußersten treiben.«
    »Im Gegenteil, ich werde seinen Mut brechen«, sagte der Lord.
    Jeden Morgen, ungefähr eine Woche lang, nahm der Lord den gleichen Platz auf der Bank ein. Es war ein angenehmer Platz, unter den grünen Akazien, mit derAussicht auf die Bucht und die Schiffe, wo von fern her der Gesang der arbeitenden Seeleute ertönte. Hier saßen die beiden ohne zu sprechen und ohne äußere Bewegung, es sei denn, daß der Junker nähte oder einen Faden abbiß, denn immer noch tat er so, als ob er fleißig wäre. Und hier machte ich es mir zur Pflicht, mich zu ihnen zu gesellen, indem ich mich über mich selbst und meinen Begleiter wunderte. Wenn einer der Freunde des Lords vorüberging, pflegte er ihn heiter anzurufen und zu sagen, er sitze hier, um seinem Bruder gute Lehren zu erteilen, der jetzt zu seiner Freude sehr fleißig geworden sei. Und selbst das ertrug der Junker mit ruhiger Haltung. Was in seiner Seele vorging, weiß nur Gott oder vielleicht der Teufel.
    Ganz plötzlich an einem stillen Tage der Jahreszeit, die man dort den Indianersommer nennt, als die Wälder in Gold, Rosa und Purpur getaucht waren, legte der Junker seine Nadel nieder und brach in schallende Heiterkeit aus. Ich glaube, er mußte sich lange schweigend vorbereitet haben, denn der Ton war ziemlich natürlich. Da er aber plötzlich das völlige Schweigen brach, und zwar unter Verhältnissen, die dem Humor so feindlich waren, schallte es verhängnisvoll in meinen Ohren.
    »Henry«, sagte er, »ich habe wirklich einmal einen falschen Schritt unternommen, und du hast so viel Verstand besessen, Vorteil daraus zu ziehen. Die Komödie des Flickschneiders ist heute zu Ende, und ich gestehe anerkennend, daß du gewonnen hast. Das Blut macht sich geltend, und du verstehst es zweifelsohne meisterlich, dich unbeliebt zu machen.«
    Der Lord sprach kein Wort, es war, als ob der Junker das Schweigen nicht unterbrochen hätte.
    »Komm«, fuhr der Junker fort, »sei nicht launisch, das paßt nicht zu deinem Benehmen. Du kannst es dir jetzt erlauben, glaube es mir, ein wenig

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