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Der Junker von Ballantrae

Titel: Der Junker von Ballantrae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Politik konnte ich nichts besonders Beleidigendes erblicken, und der Lord war Fragen der Öffentlichkeit gegenüber ziemlich gleichgültig. Die Wahrheit ist, daß die Flugschrift, die die Wurzel alles Übels war, während der ganzen Zeit auf der Brust des Lords lag. Dort draußen inmitten der nordischen Wildnis fand ich sie schließlich, nachdem er tot war: an solchem Ort und unter so entsetzlichen Umständen mußte ich zum erstenmal diese albernen, lügenhaften Worte eines Whighetzapostels lesen, der sich gegen jede Nachsicht Jakobiten gegenüber aussprach: »Noch ein anderer berüchtigter Rebell, der M–r von B–e, soll seinen Titel wiedererhalten«, so hieß es in dieser Schrift. »Diese Schiebung wird seit langer Zeit vorbereitet, da er in Schottland und Frankreich einige nichtswürdige Dienste leistete. Sein Bruder, L–d D–r, ist bekannt dafür, daß er keinen besseren Charakter besitzt, und der Erbe, der jetzt übergangen werden soll, wurde nach den verabscheuungswürdigsten Grundsätzen erzogen. Wie ein altes Sprichwort sagt: es ist gehupft wie gesprungen! Aber die Begünstigung bei einer solchen Wiedereinsetzung in alte Rechte ist zu auffällig, als daß sie mit Stillschweigen übergangen werden dürfte.« Ein Mann bei vollem Verstande würde einem so lächerlichen Geschwätz keinerlei Bedeutung beigemessen haben. Daß die Regierung einen derartigen Plan haben könnte, war für jeden vernünftigen Menschen undenkbar, außer für den Narren vielleicht, der es niederschrieb. Und der Lord, der nie geistreich war, besaß sonst einen bemerkenswertgesunden Menschenverstand. Daß er solchem Gefasel Glauben schenkte und das Flugblatt am Busen und die Worte im Herzen trug, ist der klarste Beweis für seinen Irrsinn. Ohne Zweifel beschleunigte die bloße Erwähnung Mr. Alexanders und die Drohung, die gegen die Titelnachfolge des Kindes ausgestoßen wurde, die Entwicklung der Dinge. Es sei denn, daß mein Herr schon seit langer Zeit wirklich wahnsinnig und wir zu abgestumpft und zu sehr an ihn gewöhnt waren, um den Grad seiner Krankheit erkennen zu können.
    Ungefähr eine Woche nach Ankunft der Flugblätter war ich spätabends am Hafen und wandte mich dann der Hütte des Junkers zu, wie ich es oft zu tun pflegte. Die Tür öffnete sich, eine Flut von Licht fiel auf die Gasse, und ich sah einen Mann, der mit freundlichen Worten Abschied nahm. Ich vermag nicht zu sagen, wie heftig ich erschüttert wurde, als ich den Abenteurer Harris erkannte. Ich mußte die Schlußfolgerung ziehen, daß die Hand des Lords ihn hierher geführt hatte, und setzte meinen Weg in sehr ernsten und bedrückenden Gedanken fort.
    Es war schon spät, als ich zu Hause ankam, und dort war der Lord dabei, seinen Koffer für eine Reise zu packen.
    »Warum kommen Sie so spät?« rief er aus. »Wir reisen morgen nach Albany ab, Sie und ich zusammen, und es ist höchste Zeit, daß Sie sich vorbereiten.«
    »Nach Albany, mein Lord?« rief ich aus. »Und wozu in aller Welt?«
    »Szenenwechsel«, sagte er.
    Und die Lady, die geweint zu haben schien, gab mir ein Zeichen, daß ich ohne Widerspruch gehorchen solle. Etwas später, als wir Gelegenheit zu einigen vertraulichen Worten fanden, sagte sie mir, er habe plötzlich die Absicht kundgetan abzureisen, und zwar nach einem Besuch von Kapitän Harris. Ihre Bemühungen, ihn von der Reise zurückzuhalten oder eine nähere Erklärung über sein Vorhaben aus ihm herauszulocken, sei gleichermaßen erfolglos gewesen.

Elftes Kapitel: Die Irrfahrten in der Wildnis
    Wir machten eine angenehme Reise den Hudson hinauf, einen schönen Fluß, das Wetter war herrlich, die Hügel lagen einzigartig im bunten Schmuck der Herbstfarben vor uns. In Albany wohnten wir in einem Wirtshaus, und ich war nicht blind und der Lord nicht schlau genug, daß ich seine Absicht nicht bemerkt hätte, mich gefangenzuhalten. Die Arbeiten, die er mir auftrug, waren nicht so eilig, daß wir sie ohne die nötigen Unterlagen im Zimmer eines Wirtshauses erledigen mußten. Auch waren sie nicht so wichtig, daß ich vier oder fünf Abschriften von demselben Dokument hätte aufsetzen müssen. Scheinbar fügte ich mich, aber heimlich traf ich meine eigenen Maßnahmen und bekam alle wichtigen Nachrichten aus der Stadt durch die Höflichkeit des Wirtes zugetragen. Schließlich kam mir auf diese Weise eine Tatsache zur Kenntnis, die ich, wie ich sagen möchte, erwartet hatte. Kapitän Harris war, wie man mir mitteilte, mit »Mr. Mountain, dem

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