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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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kümmere mich darum – du rufst die Polizei.«
    »Nein!«
    Er rannte zur Schlafzimmertür.
    »Herb, bitte!«
    Er gab keine Antwort. Sie hörte seine nackten Füße auf den Boden klatschen, als er durch den Flur lief.
    Claire nahm das Telefon neben dem Bett und wählte den Notruf. Das Freizeichen erklang. Einmal, zweimal. Am anderen Ende des Hauses schlug eine Tür zu. Nach dem sechsten Klingeln wurde ihr Anruf entgegengenommen.
    »Notrufzentrale. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich brauche die Polizei. Es ist ein Notfall.«
    »Von wo rufen Sie an?«
    »Westing Vale.«

    »Einen Moment bitte.«
    »Schnell!«
    Sie hörte wieder ein Freizeichen.
    Dieses Mal würde niemand abnehmen.
    Das Telefon würde einfach immer weiterklingeln. Herb ist ganz allein da draußen.
    Die Polizei kommt niemals rechtzeitig, um …
    »LAPD. Officer Kerry, was kann ich für Sie tun?«
    »Wir brauchen Hilfe! Schnell!« Claire reckte den Hals und versuchte, Herb durch das Fenster zu entdecken. Aber sie sah nur den Betonboden und eine Ecke des Pools. Die falsche Ecke.
    »Wie ist Ihre Adresse?«
    »Ash Road acht-zwei-fünf.«
    »Name?«
    »Thompson. Claire Thompson.«
    Herb rief: »Stopp!«
    Claire ließ den Hörer fallen und lief zum Fenster. Ihr Herz schlug so heftig gegen die Rippen, dass es wehtat.
    »Leg es hin!«, befahl Herb. Er stand auf der anderen Seite des Pools, dicht am Beckenrand und drei oder vier Meter von dem Ding entfernt. »Leg das Baby hin«, wiederholte er. In seiner Stimme lag ein schriller, hysterischer Tonfall, den Claire nie zuvor bei ihm gehört hatte. Er hielt die Pistole mit ausgestrecktem Arm vor sich.
    Die Kreatur hob das Baby über ihren Kopf.
    Herb schoss. Der Mündungsblitz erleuchtete den Pool, und der Knall war scharf wie der eines Feuerwerkskörpers.
    Das Baby kreischte, als es geworfen wurde. Claire sah, wie es auf ihren Mann zuflog und in der Luft mit den Beinen strampelte. Herb ließ die Pistole fallen. Er versuchte,
das sich überschlagende Baby aufzufangen, aber die Wucht des Aufpralls warf ihn zurück. Das Baby fiel in den Pool.
    Die Kreatur ging mit ihren langen, durch die Luft wirbelnden Haaren auf Herb los.
    Claire rannte los. Sie lief durch die Schlafzimmertür den Flur entlang ins Wohnzimmer. Der Schürhaken. Sie brauchte den Schürhaken. Auf dem Weg zum offenen Kamin stieß sie gegen eine Ecke des Wohnzimmertischs und schrie vor Schmerz auf. Aber sie blieb nicht stehen. Sie umklammerte den Ständer mit dem Kaminbesteck, warf ihn mit einem metallischen Scheppern um … und schnappte sich den Schürhaken. Er war schwer – aus Schmiedeeisen – und hatte eine gebogene Spitze. Sie lief durch die offene Glastür hinaus in den Hof.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Pools saß die Kreatur auf Herb. Er hatte die Arme erhoben und versuchte, sie an Brust und Schulter wegzudrücken. Sein rasselnder Atem klang panisch wie manchmal, wenn er einen besonders schlimmen Alptraum hatte.
    Die Kreatur stieß auf Herb herab. Ihre knochigen Arme griffen nach ihm, während sie den Kopf von einer Seite auf die andere warf. In dem spärlichen Licht glänzte das Haar kupferfarben.
    Während Claire am Rand des Pools entlanglief, warf sie einen Blick ins Becken. Das Baby trieb mit dem Gesicht nach unten im Wasser.
    In einem entlegenen Winkel ihres Bewusstseins wusste sie, dass sie es retten konnte. Aber sie musste sich zuerst um Herb kümmern. Die Klauenhände der Kreatur zerfetzten Herbs Gesicht. Seine Arme gaben nach. Ihr Kopf schoss herab.

    »Nein!«, schrie Claire.
    Während sie im Laufen den Schürhaken hob, hatte sie den Eindruck, die Kreatur würde Herb küssen. Doch ihr Kopf ruckte wild hin und her. Als er sich hob, hing ein Stück Fleisch aus ihrem Mund. Bluttropfen sprenkelten die Fliesen am Beckenrand.
    Kreischend ließ Claire den Schürhaken herabsausen. Er knallte auf den Rücken der Kreatur und rief ein dröhnendes Geräusch hervor, als hätte sie auf einen hohlen Baumstamm getrommelt. Das Ding kümmerte sich nicht darum. Es stieß seinen Kopf erneut auf Herbs Kehle hinab. Claire drehte das Schüreisen so, dass der Haken nach unten zeigte, und schlug wieder zu. Die gebogene Spitze bohrte sich in den Rücken. Ihr fiel auf, dass sich bereits andere Löcher und Risse in dem dunklen Fleisch befanden. Furchtbare, klaffende Löcher. Im Mondlicht wirkten sie tief und leer. Als wäre nichts dort drin. Nichts.
    Sie holte zu einem weiteren Schlag aus, dieses Mal zum Kopf. Aber plötzlich drehte sich die Kreatur um.

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