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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Der Atem kam stoßweise aus seiner Kehle.
    Ed sah hinauf zu dem Wirrwarr der Schatten. Er konnte keine Einzelheiten erkennen, aber die beiden Gestalten rasten zu ihm herab. Sie waren zu schnell. Er konnte ihnen nicht weglaufen. Mein Gott, er konnte nicht einmal jemanden zur Hilfe rufen. Er war ihnen ausgeliefert.
    O nein. Ich bin doch noch so jung! Sie werden meine Knochen in dem Dreck neben der Straße vergraben, ich werde niemals …

    »Lasst mich in Ruhe«, schrie er, während die Gestalten aus den Schatten heraussprangen.
    Ed blieb stehen, als das Paar vor ihm auftauchte und seinen Fluchtweg abschnitt.
    Er starrte sie an.
    Rieb sich die Augen.
    Dann brach er in Gelächter aus.
    Zwei Ziegen rannten mit klappernden Hufen über die Straße, ihre Hörner leuchteten im Mondlicht.
    Mein Gott, er war wirklich in der Wildnis. Wilde Ziegen! Sie hatten genauso viel Angst wie er. Sie rannten, stießen sich mit den Hinterbeinen ab und wirbelten Staubwolken auf, als sie zwischen den Büschen verschwanden.
    Wenn man jung ist, gibt es gewisse Dinge, von denen man nicht möchte, dass andere Leute sie zu sehen bekommen. Eines davon ist das, was man im Bad tut. Ein anderes das Erröten, wenn ein Mädchen mit einem spricht. Das unter dem Bett versteckte Tagebuch gehört ebenfalls dazu. Und dann diese Sache. Dass man in Panik vor zwei kleinen Ziegen wegrennt.
    Er konnte sich gut vorstellen, wie seine Freunde sich halb totlachten, wenn sie jemals davon hören sollten.
    Aber das würde natürlich nie geschehen.
    Das bleibt unter uns, ihr beiden kleinen Ziegen, dachte er grinsend. Ich verrate nichts, wenn ihr auch nichts sagt. Da haben wir uns gegenseitig mitten in der Nacht einen Schrecken eingejagt, was? Drei Trottel unter sich.
    Erleichtert ging Ed weiter, nun mit einer Hand entspannt in der Hosentasche und hin und wieder eine kurze Melodie pfeifend. Die Luft war ruhig. Man hörte kein einziges Geräusch, und der Mond brannte immer noch wie ein kaltes Hexenfeuer am Himmel.

    Die Straße wurde eben. Bald waren die Hügel verschwunden, und struppiges Gebüsch wuchs zu beiden Seiten. Noch einen halben Kilometer weiter krochen Bäume dichter an die Straße heran und schlossen sie ein, bis vom Himmel nur noch ein Spalt voller Sterne zu sehen war.
    Ed sah auf seine Armbanduhr. Ein Uhr. Seine Eltern könnten mittlerweile aufgewacht sein und festgestellt haben, dass er nicht zu Hause war. Aber sie behandelten ihn wie einen vernünftigen Erwachsenen. Sie vertrauten ihm, dass er keine Dummheiten machte. Deshalb würden sie sich wohl noch keine Sorgen machen. Das hoffte er jedenfalls.
    Seine Schuhe bewegten sich leise über den Asphalt. Er schaffte im Durchschnitt vielleicht sechs Kilometer pro Stunde. Er schätzte, dass es bis nach Hause noch zwölf Kilometer waren. Wenn er in dem Tempo weiterging, würde er also in zwei Stunden seinen Schlüssel ins Türschloss schieben.
    Das waren keine schlechten Aussichten.
    Ed Lake hörte Blätter rascheln.
    Dann hörte er ein anderes wisperndes Geräusch.
    Es war Atmen.
    Jemandem dicht bei ihm.
    Er nahm etwas rechts hinter sich wahr.
    Als er sich umdrehte, sah er dort einen Schatten.
    Der Schatten schwang einen Gegenstand durch die Luft.
    Es tat noch viel mehr weh, als von Janey abserviert zu werden.
    Er konnte sich gerade noch mit der Hand an die Seite seines Kopfs fassen, ehe die Schatten ihn verschluckten.
Ed Lake öffnete die Augen. Da waren Gitterstäbe. Dicke Stäbe von oben nach unten und dünnere Stäbe von links nach rechts. Es sah aus wie ein Fischernetz aus Stahl.
    Die ersten Worte, die ihm durch den Kopf gingen, waren: Heilige Scheiße!
    Er streckte die Hand aus, um die Gitterstäbe zu berühren. Schlechte Idee. Jede Bewegung ließ seinen Kopf höllisch schmerzen. Er betastete seine Schläfe. Fühlte etwas Verkrustetes dort. Sein Haar war verklebt.
    Getrocknetes Blut, vermutete er.
    Dieses Mal hielt er den Kopf still und bewegte nur seine Augen.
    Es tat trotzdem weh.
    Aber er gab nicht auf.
    Durch die Gitterstäbe sah er weiß gestrichene Wände. An der Decke befanden sich Leuchtstoffröhren. Er war also in einem Raum.
    In einem Käfig.
    Heilige Scheiße! Ich bin k. o. geschlagen und in einen verdammten Käfig geworfen worden. Was passiert als Nächstes?
    Er hatte einen Geschmack im Mund, als hätte er Schweinescheiße gefressen. Seine Uhr war nicht mehr an seinem Handgelenk … geklaut … Aber warum hat man mich in einen Käfig gesperrt?
    Frischfleisch für den Tiger.
    Dieser Gedanke

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