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Der Kaefig - Roman

Der Kaefig - Roman

Titel: Der Kaefig - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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war, musste von den späteren Generationen aus ganzem Herzen gehasst worden sein,
sonst hätten sie sich nicht solche Mühe gegeben, am Geist des Verstorbenen Rache zu nehmen.
    Ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass den Bösen schon vor langer Zeit dasselbe Schicksal ereilt hatte wie zahllose andere Mumien. Selbst jetzt lag er vielleicht noch in einem weit entfernten Museum. Oder er war wie so viele andere von einigen glücklosen, längst verstorbenen Europäern zu Pulver zermahlen und als Wundermittel verkauft worden. Oder Beduinen hatten ihn einfach benutzt, um ihr Lagerfeuer zu entzünden.
    Als ich weiter durch die Kammer ging, fiel mein Licht jedoch auf eine Kanope. In der Nähe lag der Steindeckel des Sarkophags und daneben der mumienförmige Deckel eines Sargs.
    Ein Schauder durchfuhr mich. Meine Eingeweide verkrampften sich, mein Gemächt schrumpfte, als wollte es sich in den Unterleib zurückziehen. Lange starrte ich einfach nur auf den offenen Sarkophag und wagte nicht, mich zu rühren.
    Mein Docht war fast abgebrannt. Mir wurde bewusst, dass ich, sollte ich nicht schnell etwas unternehmen, im Dunkeln stehen würde. Dieser Gedanke trieb mich an. Ich wickelte einen Stoffstreifen von meinem Hals – der letzte – und zündete ihn an. Das getrocknete Blut an den Wänden schien das Licht zu schlucken und die Kammer immer düsterer werden zu lassen.
    Nach kurzem Zögern trat ich an die Seite des Sarkophags und blickte hinein.
    Zuerst erschrak mich der seltsame Anblick nicht.
    Dort lag ein Mensch – ein toter Mensch selbstverständlich – , aber er unterschied sich nicht sonderlich von mir selbst. Er trug braunes Haar, ein Hemd und eine Hose, einen Ledergürtel sowie Stiefel mit ordentlich gebundenen Schnürsenkeln.
Da er auf dem Bauch im inneren Holzsarg lag, blieb mir der Anblick seines Gesichtes erspart.
    Erst als ich genauer hinschaute, bemerkte ich die Mumie neben ihm. Ein Teil ihres Kopfes war sichtbar. Ich sah ihr rotes Haar, eine Menge rotes Haar, das die Lücke zwischen ihrem Körper und der Seitenwand des Sargs ausfüllte. Ich sah ihre leeren Augenhöhlen. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, sie küsste den Hals des toten Mannes.
    Und dazu der Geruch. Durch den Rauch meines brennenden Dochts nahm ich das modrige Aroma alter Gewürze wahr. Wahrscheinlich waren sie in die Körperhöhlen der Mumie gestopft worden, um den Verwesungsgestank zu überdecken.
    Ich hob den Kopf des Mannes hoch. Der Kopf der Mumie hob sich ebenfalls, und ich begriff, dass sie ihre Zähne in seine Kehle gebohrt hatte.
    Während ich vom Sarg zurücktrat, legte ich den Revolver an meine Schläfe.
    Ich drückte ab.
    RETTUNG
    Hätte sich der Revolver entladen und meinem Leben in diesem Augenblick in Amaras Grab ein Ende bereitet, wären viele von dem Unheil verschont geblieben, das später über sie kam. Aber wenn es Götter gibt, dann sind sie hinterlistige Teufel, Schwindler, die mit unseren Schicksalen spielen. Sie hielten es für angebracht, den Hahn auf eine leere Kammer schlagen zu lassen.
    Ich spannte den Hahn für einen zweiten Versuch.
    Als mein Finger sich auf den Abzug legte, hörte ich, wie mein Name in der Ferne durch das Gemäuer hallte. Es war die Stimme meines Kameraden Maged.

    Ich ging rückwärts aus dem Grab und richtete meinen Blick auf den Tunnel hoch oben an der Wand der Kammer. Dort sah ich den zitternden, tanzenden Strahl einer Taschenlampe.
    »Maged?«, rief ich.
    »Robert!« Die Freude in seiner Stimme ließ mich lächeln.
    Meine Verzweiflung, mein Wahnsinn, meine selbstmörderische Hilflosigkeit fielen von mir ab, verschwanden wie der Morgennebel über dem Nil bei Sonnenaufgang. Ich empfand die plötzliche Freude eines Mannes, der von den Dämonen der Alpträume gequält im goldenen Morgenlicht erwacht.
    Schließlich fiel der Lichtstrahl auf mein Gesicht.
    »Ah, mein Freund!«, rief Maged. »Immer auf Entdeckungsreise. Ich dachte schon, ich finde dich nie.«
    »Du hast dir auf jeden Fall Zeit gelassen.«
    »Ich musste erst ein Seil holen.« Er warf ein Ende aus dem Eingang des Tunnels herab. »Kommst du hoch?«, fragte er.
    »Bist du allein?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Dann sichere das Seil und komm herunter. Ich habe etwas gefunden, das du dir ansehen solltest.«
    Wenige Augenblicke später sah ich meinen jungen Freund am Seil herunterrutschen. Er eilte an meine Seite. Vor lauter Freude umarmte er mich.
    »Eigentlich sollte ich dir eine Tracht Prügel verpassen«, sagte ich grinsend.
    »Haben

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