Der Kaefig - Roman
einen ungewöhnlichen Schatten am Fuß der Wand. Ich ließ mich auf Hände und Knie fallen. Mit meiner freien Hand griff ich in den Schatten … tiefer … tiefer … Ein Loch!
Es hatte einen Durchmesser von über einem halben Meter. Als ich meinem Arm so weit wie möglich hineinstreckte, konnte ich kein Hindernis feststellen. Das war mit Sicherheit der Durchgang, den ich gesucht hatte!
Was für ein Narr ich gewesen war! Was für ein ängstlicher Narr! Es war mir während meiner vorsichtigen Suche nie in den Sinn gekommen, hinter den Leichen nachzusehen!
Ich lachte laut auf. Hatten die anderen auf der Suche nach einem Ausweg den gleichen Fehler begangen? Oder hatte Kemwese womöglich das erste Opfer über dem Loch platziert, um den Durchgang vor seiner künftigen Beute zu verbergen? Das hatte ich dem Teufel gar nicht zugetraut.
In den nächsten paar Minuten schnitt ich neue Streifen aus den Überresten der Hose. Ich band sie mir um den Hals. Wieder befestigte ich die Streichholzschachtel vor meiner Kehle. Dann umklammerte ich mit einer Hand den Revolver, rutschte durch das Loch und begab mich auf die Suche nach einem Weg in die Freiheit.
AMARAS GRABSTÄTTE
Ich kroch mühsam durch den engen Gang. Manchmal drückten die Steinwände meine Schultern zusammen, so dass ich fürchtete, steckenzubleiben. Umzukehren kam jedenfalls nicht infrage. Ich wusste, was hinter mir lag: der sichere Tod. Vor mir gab es Hoffnung.
Die rauen Wände bohrten sich in mein nacktes Fleisch und zerkratzten die Haut. Hätte ich unter Klaustrophobie gelitten, die Dunkelheit, die erstickende Hitze und die Enge zwischen den Mauern hätten mich in den Wahnsinn getrieben. Aber ich blieb bei Verstand und schob mich weiter vor.
Schließlich ertasteten meine ausgestreckten Hände keinen Stein mehr, sondern nur noch freien Raum. Zentimeterweise kroch ich voran, so weit ich mich traute. Ich klemmte den Revolver zwischen meine Brust und den Stein, wickelte mit beiden Händen den Stoffstreifen von meinem Hals und zündete das Ende an.
Ich stellte fest, dass ich mich in der Nähe der Decke einer Kammer befand. Sie schien ungefähr vier Meter lang und breit zu sein. Den Boden konnte ich jedoch nicht erkennen. Ich ließ die brennende Spitze meines improvisierten Dochts so weit wie möglich hinab. Da ich den Boden noch immer nicht erkennen konnte, zog ich den Streifen wieder hoch und riss die vordersten Zentimeter ab. Ich ließ den Stoff fallen. Er segelte eine Weile durch die Luft, ehe er aufkam. Ich sah zu, wie das Stoffstück höchstens sechs Meter unter mir am Boden brannte.
Da ich keine andere Wahl hatte, umklammerte ich den Revolver und wand mich weiter vorwärts. Als ich über den Rand des Lochs hinaushing und kurz davor war, hinabzufallen, stieß ich mich mit aller Kraft von der Wand ab. Wie ein Turmspringer drehte ich mich in der Luft und landete mit den Füßen zuerst. Meine Beine knickten ein. Ich stürzte nach vorn und schlug hart auf dem Boden auf. Jedoch blieb ich bei Bewusstsein, und eine kurze Untersuchung meiner Glieder ergab, dass ich mir einige Prellungen zugezogen hatte, aber nichts gebrochen war.
Gespannt riss ich ein Streichholz an und entzündete einen meiner Stoffstreifen. Zu meiner Erleichterung entdeckte ich keine unwillkommene Gesellschaft in dieser Grube.
Dafür fand ich die Tür zu einem Grab.
Eine eigenartige goldene Scheibe, die mit dem Zepter des Osiris verziert war, hing an einem Hanfseil an der Steintür. In meinem schwachen Licht zeigten sich verschiedene in die Tür eingravierte Hieroglyphen. Unter der Anleitung meines Vaters hatte ich gelernt, die Schrift zu lesen, als wäre ich damit aufgewachsen. Leider hatte jemand daran herumgemeißelt und die Hieroglyphen zerkratzt, so dass sie nicht mehr zu entziffern waren.
Ich hatte so etwas schon zuvor gesehen. Es handelte sich zweifellos um das Grab eines Ausgestoßenen oder Ketzers, auf dessen Namen ein Bann lag.
Bei dieser Erkenntnis stellten sich mir die Haare auf der nackten Haut auf. Als Skeptiker, was Übernatürliches betraf, hätte es mich nicht verunsichern sollen, an der Grabtür eines Menschen zu stehen, der von den alten ägyptischen Priestern verdammt worden war. Doch ich war verstört: Ich spürte Bösartigkeit wie Dampf, der vom Eis aufsteigt. Es fröstelte mich bis in die Knochen.
Ich trat von der Tür zurück und begann, die Wände nach einem Ausweg abzusuchen.
Es gab keinen.
Zumindest konnte ich keinen finden.
Das war keine große
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