Der Kaefig - Roman
Überraschung; mein Weg in diese Kammer war sicher die einzige Möglichkeit, hinein- oder hinauszugelangen.
Ich war froh, den Revolver zu besitzen. Zumindest könnte ich mir so ein schnelles Ende bereiten und die Qualen und den Wahnsinn des langsamen Verdurstens ersparen.
Ich blies das Licht aus und setzte mich in eine Ecke. Noch war es nicht so weit, Schluss zu machen. Dafür blieb später noch genug Zeit. Ich versuchte, die trostlosen Gedanken beiseitezuschieben und über mögliche Auswege nachzudenken. Mein Verstand entdeckte keine Lösung.
Schließlich beschloss ich, mein Glück bei dem Grab zu versuchen. Zwar jagte mir schon der Gedanke an den Ort Furcht ein, aber ich war auch neugierig. Außerdem gab es nur eine Möglichkeit, mit Sicherheit herauszufinden, was hinter der versiegelten Tür lag. Alles war möglich, selbst meine Rettung.
Ich ging durch die dunkle Kammer zur Tür. Dort überwand ich meine Abneigung, sie zu berühren, zündete einen meiner Dochte an und machte mich an die Arbeit.
Am Anfang war ich noch einigermaßen ruhig. Doch mit der Zeit steigerte ich mich in eine Raserei hinein. Was, wenn ich die Tür nicht aufbekam? Was, wenn ich sie öffnen konnte und immer noch keinen Schritt näher an einem Ausweg war? Währenddessen kämpfte ich ständig mit meiner Furcht vor dem unheiligen Menschen, der dort bestattet war. Ich hätte mich am liebsten in die entfernteste Ecke der Kammer gekauert, aber mein fiebriger Verstand sagte mir, dass meine einzige Überlebenschance darin bestand, diese Tür zu öffnen. Ich tobte, als ich das Hanfseil abriss. Ich schrie und heulte wie ein Wahnsinniger, während ich mich mit der Steinplatte abmühte.
Schließlich ertönte ein Ächzen.
Staub rieselte von den versiegelten Kanten der Tür.
Der Stein bewegte sich.
Schwang auf.
Ich schreckte zurück, als eine widerliche Böe heißer Luft in mein Gesicht wehte und das Licht auslöschte. Der üble Gestank ließ mich würgen. Es roch nach toten, verwesenden Schlangen. In der Dunkelheit stellte ich mir das Grab als ein Leichenhaus vor, in dem sterbende Vipern gierig darauf warteten, über mich herzufallen. Wo sich drohend aufgerichtete Kobras schlängelten. Vor Gift triefende Fangzähne. Ich wusste, dass es unmöglich war: der Alptraum eines überreizten Geistes. Trotzdem konnten meine Ängste nur durch ein neues Licht vertrieben werden. Mit zitternden Händen riss ich ein weiteres Streichholz an. Ich entzündete den Docht und spähte durch die Türöffnung.
Natürlich waren dort keine Schlangen.
Ich behielt den kleinen Bereich, der von meiner Flamme beleuchtet wurde, im Blick und trat in das Grab.
Zuerst dachte ich, es wäre leer. Sicher hatten Räuber alle Schätze aus dem Raum mitgenommen: die zahllosen Dinge, die
mit dem Leichnam bestattet worden waren, um sein Wohlergehen im Jenseits sicherzustellen – die Gebrauchsgegenstände, die Waffen, die Möbel, die Statuen der Diener. Zweifellos waren der Sarkophag und die Mumie ebenfalls gestohlen worden.
Ich betrachte die Wände um mich herum. Normalerweise hätten sie mit Bildern bedeckt sein sollen, die das Leben des Verstorbenen zeigten: wie er Vögel jagte oder mit dem Speer die großen Fische des Nils erlegte; oder es hätten Darstellungen des Toten mit seiner Familie vorhanden sein sollen. Außerdem hätte es Hunderte von Hieroglyphen geben müssen, die sein Leben schilderten, seine Siege, die Namen seiner Kinder. Und nicht zuletzt Gebete und Verse aus dem großen ägyptischen Totenbuch.
Stattdessen waren die Wände vollständig mit schwarzen Pigmenten bedeckt worden. Trotzdem hatten sie einen leichten rotbraunen Stich. Auch das hatte ich bereits zuvor gesehen. In dem Grab eines der Priester des Pharaos Echnaton, des ketzerischen Königs, der die riesige ägyptische Götterfamilie zugunsten einer einzigen Gottheit, Aten, verbannt hatte. Ich erinnerte mich, wie ich in der Gruft des in Unehre gefallenen Priesters gestanden und Howard Carter zugehört hatte, während er beschrieb, wie spätere Priester den Namen des bösen Priesters ausgelöscht und dann die Wände mit Schweineblut gestrichen hatten. Ein Tier, das von den alten Ägyptern als unrein angesehen wurde. Dadurch und durch die Zerstörung der Identität des toten Priesters würde auch seine Seele im Jenseits vernichtet.
Dasselbe war hier geschehen. Der ausgelöschte Name an der Grabtür. Die Übermalung der Wandbilder und Hieroglyphen mit dem geschmähten Schweineblut.
Wer immer auch dort bestattet
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