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Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition)

Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition)

Titel: Der kälteste Winter: Erinnerungen an das befreite Europa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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verlassen versuchten, würden sie von den Soldaten, die es vollständig umstellt hatten, erschossen.
    Spanische Republikaner, sagte sie, flüchteten oft über die Pyrenäen nach Frankreich, wo sie dann jedoch in trostlosen französischen Auffanglagern endeten, von Stacheldraht umgeben, auf unbestimmte Zeit interniert. Jeden Morgen erwachten sie, und ein weiterer leerer Tag lag vor ihnen.
    Sie wußte von Frauen, die ihre Männer regelmäßig in spanischen Gefängnissen besuchten, um ihnen Lebensmittel zu bringen. An manchen Tagen wurde einer Frau oder sonstigen Verwandten lediglich mitgeteilt, daß der Mann kein Essen mehr benötige; er sei «eines natürlichen Todes gestorben».
    «Zu Tode geprügelt», erklärte sie, nachdem sie sich rasch nach den Mitreisenden umgesehen hatte.
    Der Zug hielt in einem kleinen Dorf, und Menschen kletterten und schoben sich stöhnend und keuchend durch die offenen Fenster herein, um dann festzustellen, daß es drinnen keine Sitzplätze mehr gab, weil der Zug so überfüllt war. Also hockten sie sich auf ihre Gepäckbündel in den Gang. Kurz darauf hielt der Zug wieder, und ein Trupp maurischer Soldaten stieg zu. Sie stolzierten durch unseren Waggon und wirkten dabei besonders bedrohlich. Meine Sitznachbarin flüsterte mir zu, ich müsse meinen amerikanischen Paß vorzeigen, also legte ich ihn auf den Schoß. Zwei der Soldaten blieben eine lange Minute bei uns stehen, einer von ihnen nahm den Paß, untersuchte ihn und ließ ihn dann mit einem Wort, das ich nicht verstand, auf meinen Schoß zurückfallen.
    Der Zug erreichte Valencia, und nachdem ich Marjorie und Harold wiedergefunden hatte, quartierten wir uns in einem Hotel in der Nähe des Bahnhofs ein.
    Am nächsten Tag gingen die beiden zum Stierkampf. Ich begleitete sie, aber am Eingang blieb ich stehen. Ihre Gesichter waren vor Aufregung gerötet.
    Die Straße, die um die Arena herumführte, war menschenleer; das gleißende Sonnenlicht hob die Schäden an der Außenwand hervor. Ich konnte mir keine Karte leisten, aber ich hätte ohnehin keine gekauft; ich hatte zuviel Angst vor dem, was ich würde sehen müssen.
    Ich lauschte dem Johlen der Menschenmenge, das aufbrandete und verebbte wie Meereswellen, dem militärischen Klang der Blaskapelle, den energischen Fanfaren der Trompete, dem Stöhnen und Aufschreien der Zuschauer. Als meine Freunde den Ring wieder verließen, fiel es mir eine Zeitlang schwer, mit ihnen zu reden, auch als Marjorie versicherte, es sei ein furchtbares Schauspiel gewesen.

    Am Abend gab der Matador des Tages einen Empfang im Salon des Hotels, in dem wir noch eine Nacht verbringen wollten, bevor wir mit einem kleinen Schiff zu den Balearen übersetzten.

    Zeitungsjournalisten, die sich als Stierkampf-Aficionados bezeichneten, sowie eine ganze Hofgesellschaft von Anhängern hatten sich um den Star des Abends geschart, der ohne seinen traje de luces nicht mehr glänzte, wie Marjorie bemerkte, sondern in seinem dunklen Anzug eher klein, gedrungen und langweilig aussah.
    Man bemerkte uns drei Ausländer und zog uns in den lebhaften Kreis, den wir alle um den stummen Stierkämpfer bildeten, so wie es die Arena heute nachmittag getan hatte.
    Einige Tage zuvor hatte ich im Prado in Madrid nach den schwarzweißen Kriegsbildern von Goya gefragt, und der junge Maler, den ich angesprochen hatte und der ein Bild von Rubens kopierte, meinte, die Zeichnungen seien nach Toledo geschafft worden, wo eine Ausstellung vorbereitet werde. In einem Buchladen hatte ich anschließend einen Gedichtband von Federico García Lorca verlangt. Der Verkäufer war bei der Nennung des Namens bleich geworden, aber nach hinten gegangen und nach fast einer Viertelstunde mit einer schmalen Ausgabe der Gedichte Lorcas zurückgekehrt, von der er den Staub blies.
    Nun fragte ich einen der Journalisten in der Runde – groß und elegant gekleidet – ob er von dem Roman Wem die Stunde schlägt von Ernest Hemingway gehört habe. «Aber natürlich», sagte er. «Ich habe ihn für meine Zeitung rezensiert.»
    Ich war verblüfft. Den jungen Maler im Prado und den Buchhändler hatte ich kurz durcheinanderbringen können, doch bei diesem Journalisten funktionierte das nicht. Aber war Hemingways Roman denn in Spanien veröffentlicht worden?
    Er erläuterte mir den Fall. Das Magazin Life hatte seitenweise Standfotos aus der Verfilmung des Romans abgedruckt. Er hatte die Bildunterschriften gelesen und daraus eine Rezension zusammengebastelt. Er lächelte

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