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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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herziehen. Nach einer solchen Bestrafung waren schon viele Männer gebrochen aus Amsterdam geflohen, aber zu ihnen würde Miguel nicht gehören.
    Er eilte nach Hause, wobei er sich immer wieder das Dankesgebet vorsagte. Er hatte gesiegt. Parido hatte seine Falle zuschnappen lassen, und doch hatte Miguel ihn überlistet. Er hielt kurz inne, um sich selbst zu beglückwünschen, und nahm dann seine Schritte wieder auf. Er hatte gewonnen.
    Trotzdem war es nur ein vorübergehender Sieg. Parido hatte zugeschlagen und war gescheitert, und das Feuer seiner früheren Freundlichkeit würde erlöschen. Miguel wusste jetzt, dass er einen Feind hatte, einen zornigen Feind, der nicht mehr mit Raffinesse oder List agieren würde, sondern offen und heftig angriff.
    Aber warum? Warum interessierte Parido sich so sehr für Miguels Kaffeegeschäfte? Wenn er Miguel nicht exkommunizieren lassen wollte, hing sein Plan irgendwie von Miguels Plänen ab, die ein lebenslanger Cherem zunichte gemacht hätte. Doch da Parido das, was er wollte, nicht durch den Ma’amad erreicht hatte, würde er es bestimmt auf andere Weise versuchen. Nach Miguels heutigem Sieg schäumte er sicherlich vor Wut. Es bestand kein Zweifel daran, Parido war jetzt gefährlicher als je zuvor.

    Aus
    Die auf Tatsachen beruhenden und aufschlussreichen Memoiren des Alonzo Alferonda
    Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, einige Holländer der niedrigeren Sorte zur Verrichtung kleiner Aufgaben anzustellen. Es waren grobe Burschen, die nicht besser waren als die Männer, an die ich Geld verlieh, aber das war nicht zu ändern. Diese Rüpel, Claes oder Caspar oder Cornelis – wer kann sich schon diese komischen holländischen Namen merken? – halfen mir, Angst und Schrecken bei den Erbärmlichen zu verbreiten, die sich Geld von mir geborgt hatten und es nicht zurückzahlen wollten. Ich bin sicher, dass ein paar meiner Gulden ihren Weg in holländische Geldbeutel fanden, doch was sollte ich tun? Ich hatte keine Lust, meine Geschäfte mit der eisernen Faust eines Tyrannen zu führen, und ich entdeckte, dass ein bisschen Nachlässigkeit in derlei Angelegenheiten eine merkwürdige Loyalität mit sich brachte.
    Eines Nachmittags saß ich, dünnes Bier schlürfend, im Keller einer nasskalten Schenke, mir gegenüber ein alternder Dieb, und hinter mir lungerten ein paar meiner Männer herum. Ich ließ sie in solchen Situationen immer mit scharfen Klingen Äpfel schälen oder Holz schnitzen. Das wirkte einschüchternd und ersparte mir die langweilige Aufgabe, Drohungen laut auszusprechen.
    Der Dieb an meinem Tisch stellte ein kleines Problem dar. Er war vielleicht fünfzig Jahre alt, wirkte aber greisenhaft und
vom Leben gezeichnet. Sein Haar war lang und zu dünnen Strähnen verfilzt, seine Kleidung fleckig und seine Haut ein Netz aus geplatzten Adern. Er hatte sich zehn Gulden von mir geliehen – zu einem sehr unvorteilhaften Zinssatz, muss ich hinzufügen -, um für die Kosten aufzukommen, die mit dem Tod seiner Frau einhergingen. Jetzt, ein knappes Jahr später, hatte er mir noch nichts davon zurückgegeben und verkündete überdies, er könne mir nichts zahlen. Nun, dies war keiner jener Männer, die behaupten, nicht zahlen zu können, während ihre beringten Finger über einen dicken Bauch streichen, der voll mit Brot und Fisch ist. Nein, er besaß wahrhaftig nichts, aber obgleich er mir Leid tat, konnte ich ihm die Schuld nicht erlassen. Wohin käme ich denn dann?
    »Gewiss besitzen Sie noch einen Gegenstand von Wert, den Sie versetzen können«, schlug ich vor. »Kleidungsstücke, alten Schmuck vielleicht. Eine Katze? Ich kenne einen Pfandleiher, der einen anständigen Preis für einen erprobten Mäusefänger zahlt.«
    »Ich habe nichts«, sagte er zu mir.
    »Sie sind ein Dieb«, rief ich ihm ins Gedächtnis zurück. »Sie können stehlen. Oder haben Sie Ihr Handwerk in der Zwischenzeit verlernt?«
    »Ich bin kein guter Dieb mehr.« Er hielt seine Hände hoch. »Meine Finger sind nicht mehr geschmeidig, und meine Füße sind nicht mehr flink.«
    »Hmm.« Ich kratzte mir den Bart. »Wie lange geht das schon so – diese Schwierigkeiten mit den unbeholfenen Fingern und den Bleifüßen? Eine ganze Weile?«
    »Ja«, räumte er ein.
    »Eine ganze Weile? Über ein Jahr?«
    »Ich würde sagen, ja.«
    »Als Sie sich das Geld von mir geborgt haben, wussten Sie also, dass Sie es nicht zurückzahlen können? Bin ich eine
wohltätige Einrichtung, die Almosen verteilt? Sind Sie zu mir

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