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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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Das hier ist nicht das Ma’amad-Gemach in der Talmud-Thora, das hier ist der Bauch von Amsterdam, und wenn ich beschließe, dass Sie nicht wieder ausgespien werden, wird niemand mehr von Ihnen hören.«
    »Drohen Sie mir nicht«, sagte er gelassen.
    Ich bewunderte seinen Mut und lachte über seine Dummheit – vielleicht hatte ich meinen Ruf als Schurke nicht gut genug abgesichert. Er hatte allen Grund, Angst zu haben, doch das schien er nicht zu wissen, oder es kümmerte ihn nicht. Ich antwortete mit einem Achselzucken. »Ich bin reichlich erstaunt über Ihre Dreistigkeit, hier aufzutauchen. Sie glauben wohl, dass ich Ihnen vergebe.«
    »Ich verteidige mein Handeln nicht. Ich bin nur gekommen, um zu fragen, ob Sie Miguel Lienzo zum Einstieg in den Walfischtranhandel ermutigt und dabei gewusst haben, dass er mir damit schaden könnte, und ob Sie diese Möglichkeit vor Lienzo selbst geheim gehalten haben. Mit anderen Worten, haben Sie ihn als Strohmann benutzt?«

    Ganz im Gegenteil: Ich war sogar so weit gegangen, Miguel Lienzo genau davor zu warnen, doch das würde ich Parido nicht erzählen. »Warum fragen Sie mich das?«
    »Weil es das ist, was Lienzo behauptet.«
    Ah, Lienzo, dachte ich, verwendet meinen Namen zu seinem Vorteil. Nun, warum auch nicht? Sicher hatte Parido ihn in die Enge getrieben, und statt sich selbst einem Risiko auszusetzen, hatte Miguel das Schwinden von Paridos Finanzen Alferonda zugeschrieben, so wie Bauern das Verschwinden von Milch Kobolden zuschreiben. Der Parnass konnte mir nicht mehr schaden, als er es bereits getan hatte. Ich war nicht in Gefahr, deshalb verspürte ich keinen Ärger auf Miguel, der nur vorsichtig war.
    Ich schüttelte den Kopf. »Das hätte ich getan, wenn ich es vermocht hätte, aber ich werde nicht lügen, um einem Mann zu helfen. Mit diesen Walfischtranterminkontrakten hatte ich nichts zu schaffen. Ich vermute, Lienzo schützt sich selbst oder einen anderen, indem er mich vorschiebt.«
    Aber, so mögen Sie fragen, wenn ich keinen Groll gegen Miguel empfand, weil er sich erlaubt hatte, meinen Namen zu nennen, wieso stellte ich mich dann nicht vor ihn? Warum lieferte ich ihn Paridos Zorn aus, obwohl ich die Situation hätte entschärfen können?
    Ich tat es, weil ich eine Versöhnung der beiden nicht riskieren konnte. Es war besser, wenn Miguel Paridos Wut ausgesetzt blieb.

22
    Während der kurzen Zeit seines Exils hielt Miguel es für das Beste, andere Juden aus der Nachbarschaft zu meiden. Ihr Starren und Getuschel würden ihm seinen Sieg nur vergällen. Männer, über die ein vorübergehender Bann verhängt wurde, versteckten sich immer in ihren Häusern, bis es ihnen frei gestellt war, sich wieder ihren Geschäften zu widmen. Sie lungerten herum wie Diebe, sie schlossen ihre Fensterläden, sie aßen nur kalte Speisen.
    Miguel hatte zu viel zu tun und konnte es sich nicht leisten, den ganzen Tag in seinem Keller zu verbringen. Er schrieb eine Nachricht an Geertruid, in der er ihr mitteilte, er wünsche sie morgen Nachmittag zu sehen. Er schlug das Goldene Kalb vor. Diese ekelhafte Örtlichkeit, wo sie zum ersten Mal über Kaffee geredet hatten, entsprach zwar nicht seinem Geschmack, aber wenigstens wusste er, dass Geertruids Vetter sonst keine Juden bediente, und am Tag seines Cherem wünschte er sich, nicht gesehen zu werden. Geertruid schrieb zurück und schlug stattdessen eine andere Schenke in der Nähe der Lagerhäuser vor, die, so versprach sie, ebenso obskur war wie das Goldene Kalb. Miguel willigte ein.
    Nachdem er Briefe an seine Mittelsmänner verschickt hatte, bereitete Miguel sich eine Schale Kaffee zu und nahm sich einen Augenblick Zeit, um über die dringendsten Notwendigkeiten
nachzudenken: Wie sollte er weitere fünfhundert Gulden auftreiben, um Isaiah Nunes den verlangten Betrag zu zahlen? Statt sich um das fehlende Geld zu bemühen, konnte er Nunes die tausend Gulden überweisen, die ihm am Ende der Woche noch blieben. Nunes würde es erst Anfang nächster Woche merken. Da er zu feige war, Miguel offen entgegenzutreten, wenn es um etwas so Peinliches wie Schulden ging, würde er einen Brief schreiben, in dem er die restliche Summe einforderte, und dann – da Miguel plante, die Forderung zu ignorieren – wenige Tage später einen weiteren Brief schicken. Miguel würde ihm eine vage Antwort zukommen lassen, die Nunes die Hoffnung gab, dass das Geld jeden Moment eintreffen würde. Solange er eine Begegnung mit seinem Freund vermied, konnte er

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