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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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gekommen, weil Sie von meiner Großzügigkeit gehört haben? Sie müssen es mir sagen, denn ich bin verwirrt.«
    Ich gebe zu, dass diese Tirade nur dem Zweck diente, Zeit zu schinden, um mir eine Strategie zurechtzulegen. Ich traf selten auf jemanden, der nicht zahlen konnte und der keine Fähigkeiten hatte, die mir nützlich waren.
    »Was, meinen Sie«, fragte ich ihn, »soll ich mit einem wie Ihnen anfangen?«
    Er überlegte lange. »Ich meine«, sagte er schließlich, »Sie sollten mir von beiden Händen den kleinen Finger abhacken. Ich habe nicht mehr das Geschick eines Taschendiebs, deshalb werde ich sie nicht vermissen. Und wenn Sie das tun, weiß alle Welt, dass es nicht ratsam ist, Sie zu betrügen. Ich glaube, das wäre das Barmherzigste.«
    Das war eine schöne Bescherung. Wie konnte ich vermeiden, ihm die kleinen Finger abzuhacken – Finger, die er mir freiwillig anbot -, ohne zu offenbaren, dass ich nicht zu der Sorte Männer gehöre, die derartige Grausamkeiten schätzen? Ich glaubte wahrhaftig, er würde mich zum Handeln zwingen, und mir bliebe nichts anderes übrig, als dem Mann die Finger abzuhacken – obwohl ich gnädigerweise nur einen abgehackt hätte. Wie sonst konnte ich mir den Ruf erhalten, ein böser Mensch zu sein? Ich weiß nicht, wohin das alles geführt hätte, wenn nicht ein völlig unerwarteter Gast aufgetaucht wäre.
    Während ich den Alten anstarrte und über sein Schicksal nachsann, hörte ich ein metallisches Klimpern. Ich und meine Holländer drehten uns um und sahen eine Gestalt im trüben Licht, aufrecht dastehend wie ein königlicher Wachsoldat. Es war kein anderer als Solomon Parido.
    »Hier sind die zehn Gulden, die er Ihnen schuldet«, sagte er kühl. »Ich werde nicht erlauben, dass ihm etwas passiert.«
    »Ich hatte keine Ahnung, dass Sie solch Nächstenliebe im Herzen tragen«, sagte ich.
    »Ich kann nicht mit ansehen, was Sie hier treiben. Diese Szene widert mich an, aber es beruhigt mich zu wissen, dass mein Urteil über Sie richtig war.«
    »Senhor, die Belüftung ist schlecht in diesem Raum, und ich fürchte, Ihre Frömmigkeit wird uns noch alle ersticken. Trotzdem bin ich sicher, dass unser Freund hier dankbar ist für Ihr Eingreifen.«
    Der alte Dieb, der jede Gelegenheit beim Schopf packte, stimmte ein. »Zehn Gulden sind nur das Kapital. Sie haben die Zinsen außer Acht gelassen.«
    Claes und Caspar schauten mich an, auf Befehle wartend. Ich wollte keine Zeugen bei dieser Farce, deshalb schickte ich sie alle hinaus. Den Holländern sagte ich, sie sollten dem Dieb ein paar Ohrfeigen verpassen und ihn dann freilassen. Nun saß ich meinem alten Feind gegenüber. Seit meinem Exil hatte ich keine privaten Worte mit Parido gewechselt. Wir hatten lediglich ein paar spitze Bemerkungen auf der Straße oder in Wirtshäusern ausgetauscht, wenn sich unsere Wege kreuzten.
    Dies war eigentlich eine gute Gelegenheit, um mich zu rächen. Warum sollten Claes und Caspar nicht seine kleinen Finger abtrennen und ihm obendrein ein paar Ohrfeigen verpassen? Doch das war nicht die Art Rache, die ich ersehnte.
    »Sind Sie gekommen, um sich bei mir zu entschuldigen?«, fragte ich. Ich deutete auf einen der alten Hocker, damit er sich setzen möge, und zündete meine Pfeife an, indem ich einen großen Holzsplitter in die Öllampe und dann in den gestopften Pfeifenkopf hielt.
    Parido blieb stehen, er war sich zu gut, um seinen Arsch auf einen Hocker zu platzieren, den womöglich jemand wie ich benutzte. »Sie wissen, dass das nicht der Fall ist.«
    »Ich weiß, dass das nicht der Fall ist«, stimmte ich zu. »Nun
denn. Es kann Ihnen nicht leicht gefallen sein herzukommen. Ich vermute, es war folgendermaßen: Sie haben mich von Ihren Ma’amad-Spitzeln bis hierher verfolgen lassen und hielten den Ort für ideal, weil Sie gewiss niemand gesehen hat. Sie öffneten bereitwillig Ihren Geldbeutel für den alten Dieb, denn ein günstigeres Zusammentreffen als dieses konnten Sie sich nicht wünschen. Nun bleibt noch eine Sache offen.« Ich blies ihm Rauch ins Gesicht. »Was wollen Sie, Parido?«
    Seine Würde gestattete ihm nicht, den Rauch wegzufächern. aber ich sah, wie er sich mühte, nicht zu husten. »Ich habe einige Fragen an Sie.«
    »Dann warten wir doch mal ab, ob ich Lust habe, sie zu beantworten. Wissen Sie, Parido, ich kann mir nicht denken, warum ich Ihnen helfen oder irgendwelche Fragen beantworten sollte. Sie haben mich behandelt, wie kein Jude einen anderen Juden behandeln dürfte.

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