Der Kaffeehaendler - Roman
sich ausbreitete. Dennoch, der Tod lauerte überall. Miguel wusste ebenso gut wie jeder andere damit umzugehen, aber er vermochte nicht als Gejagter zu leben.
Und so gelang es Joachim allmählich, seinen Krieg gegen die Seelenruhe seines Feindes zu gewinnen. Miguel merkte, wie
seine Konzentration nachließ, selbst an der Börse. Hilflos beobachtete er, wie Parido sich seinen Weg durch die Mengen der Händler bahnte und Kaffeeterminkontrakte kaufte, mit denen er darauf setzte, dass der Preis weiter anstieg.
Falls etwas geschah, das es Miguel unmöglich machte, den Kaffeepreis zu kontrollieren, würde er mit seinen Verkaufsoptionen Geld verlieren, und dann würde Daniel erfahren, dass Miguel seinen Namen und seine finanziellen Mittel missbraucht hatte. Wenn Nunes sich nun weigerte, die Ware auszuliefern, bis Miguel seine Schulden bezahlt hatte? All das kam ihm unbedeutend vor angesichts der Tatsache, dass er jeden Moment durch die Klinge eines Mörders sterben konnte.
Miguel war klar, dass er mit diesem Wissen nicht leben konnte. Auch wenn Joachim gar nicht daran dachte, seine Drohung wahrzumachen, hatte er bereits großen Schaden angerichtet. Miguel wünschte sich nichts mehr, als dem ein Ende zu machen. Er sehnte sich nach einem Leben ohne Angst vor einem Wahnsinnigen, der sich an ihn anpirschte.
Er brauchte noch ein paar Tage, bis er einen Entschluss gefasst hatte, doch sobald die Idee für sein weiteres Vorgehen sich in seinem Kopf festgesetzt hatte, erschien sie ihm sowohl gemein als auch raffiniert. Ihre Ausführung würde unangenehm sein, aber er konnte nicht erwarten, dass die Konfrontation mit einem Menschen wie Joachim ohne Unappetitlichkeiten ablaufen würde. Das war mit Sicherheit die ganze Zeit über sein Problem gewesen. Er hatte versucht, Joachim zu behandeln, als wäre er normal, als ließe er sich durch Vernunft überzeugen, doch Joachim hatte immer wieder gezeigt, dass er unfähig oder nicht willens war, sich wie ein Mann mit Verstand zu verhalten. Ihm fiel eine Geschichte über den verwegenen Pieter ein, in der ein Raufbold sich an dem Gauner rächen wollte. Da sein Feind ihn an Körperkraft übertraf, hatte
Pieter einen noch gefährlicheren Raufbold angeheuert, um sich zu schützen.
Im Singenden Karpfen erfuhr er, dass man Geertruid seit einigen Tagen nicht gesehen hatte, und das bedeutete, dass sie noch ein paar weitere Tage ausbleiben konnte. Oft war Hendrick mit ihr unterwegs, aber nicht immer. Miguel musste nicht unbedingt auf ihre Rückkehr warten. Eigentlich, dachte er, war es vielleicht besser so. Warum sollte Geertruid über all seine Angelegenheiten Bescheid wissen?
Er verbrachte den größten Teil des Tages damit, die Schenken zu durchsuchen, in denen sich Hendrick womöglich aufhielt, doch erst am späten Nachmittag fand er seinen Mann, der mit einigen seiner raubeinigen Freunde an einem Tisch saß und eine lange Pfeife rauchte, die nach einer Mischung aus altem Tabak und Mist stank. Hendrick hatte die Schenke einmal flüchtig erwähnt, damals hätte Miguel sich nie träumen lassen, dass ihn etwas bewegen könnte, eine derartige Örtlichkeit zu betreten. Der Geruch nach modrigem Holz von den Tischen lag in der Luft; der überschwemmte Fußboden war mit schmutzigem Stroh belegt. Ganz hinten im Raum machte sich eine Gruppe von Männern einen Spaß daraus, zwei Ratten beim Kampf zu beobachten.
Als Hendrick Miguel sah, stieß er ein bellendes Lachen aus und flüsterte dann seinen Freunden etwas zu, die in das Gelächter einfielen. »Ach, wenn man vom Teufel spricht, da ist ja der Judenmann.« Hendrick sog heftig an seiner Pfeife, als ob er Miguel mit den Rauchwolken wegblasen könnte.
»Ich habe Sie gesucht«, sagte Miguel. »Ich muss kurz mit Ihnen sprechen.«
»Trinkt weiter, Jungs«, rief Hendrick seinen Gefährten zu. »Ich muss euch ein Weilchen allein lasse. Ich habe eine wichtige Zusammenkunft, wie ihr seht.«
Draußen vor dem Wirtshaus legte sich der Geruch nach totem
Fisch aus der Gracht auf Miguels Zunge. Die sommerliche Hitze hatte begonnen, sich auf die Stadt zu senken, und mit ihr der Gestank. Er atmete tief durch den Mund ein und führte Hendrick zu der Gasse, in der es etwas weniger nach Abfällen und abgestandenem Bier roch. Eine Not leidende Katze mit schmutzigem weißem Fell und einem zerfetzten Ohr öffnete das rosa Maul und fauchte sie an, aber Hendrick erwiderte das Fauchen, und die Katze floh in den Schatten.
»Meine Herrin ist zurzeit nicht da, und ich bin
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