Der Kaffeehaendler - Roman
daran gewöhnt, dass dort, wo keine Madame Damhuis ist, auch kein Senhor ist.«
»Ist sie wieder bei ihrem Anwalt in Antwerpen?«
»Sie sind also doch auf der Suche nach ihr?« Er stieß Miguel jovial mit dem Arm an.
»Ich suche sie nicht.« Miguel warf ihm seinerseits einen wissenden Blick zu. »Aber ich bin neugierig.«
»Ha!«, bellte Hendrick. »Sie haben Ihre Neugier in Schach gehalten, stimmt’s, guter Judenmann? Sie ist eine Dame mit vielen Geheimnissen: vor Ihnen, vor mir, vor der Welt. Manche sagen, sie sei gewöhnlich wie Butterbrot, doch sie hat Geheimnisse, die sie interessanter erscheinen lassen.«
»Aber Sie kennen die Wahrheit?«
Er nickte. »Ich kenne die Wahrheit.«
Miguel hatte so viele Fragen zu seiner Partnerin, auf die er nie eine Antwort erwartet hätte. Nun deutete Hendrick an, er könnte alles über sie in Erfahrung bringen. Aber konnte er darauf vertrauen, dass der Holländer nichts von Miguels Nachforschungen verriet? Der Mann trank gern und war bekannt dafür, geschwätzig zu sein. Dieses Gespräch war Beweis genug.
»Erzählen Sie nur, was die Dame mir auch erzählen würde«, sagte Miguel schließlich. »Ich will keine Geheimnisse ausspionieren, die sie zu bewahren wünscht.«
Hendrick nickte. »Sie sind ein vorsichtiger Mensch, stimmt’s? Das respektiere ich. Sie können die Dame gut leiden und wollen, dass sie Sie auch mag. Und ich glaube, Sie könnten sie auch dann gut leiden, wenn Sie die Wahrheit wüssten – die alles andere als aufregend ist -, denn sie könnte ebenso gut aller Welt erzählen, wo sie hinreist, wenn sie wegfährt. Ein Besuch bei ihrem Anwalt oder dessen Schwester oder der Witwe ihres Bruders muss kein großes Geheimnis sein.«
»Ich habe nicht um diese Auskünfte gebeten.«
»Aber ich habe beschlossen, sie Ihnen zu geben«, sagte Hendrick, aus dessen Tonfall die Leichtfertigkeit wich, »weil ich Madame Damhuis von ganzem Herzen liebe, doch sie kann grausam sein. Sie quält die Männer gern. Sie liebt es, wenn sie sich vor Verlangen nach ihr verzehren. Und dann schickt Sie sie fort. Und sie liebt es genauso, sie vor Neugier in den Wahnsinn zu treiben. Weil sie aus dem Alltäglichen ein Geheimnis macht, flüstern alle ihren Namen.«
»Das ist kein Verbrechen«, brachte Miguel vor, der das Bedürfnis verspürte, sie zu verteidigen.
Hendrick nickte. »Wenn Sie etwas anderes gesagt hätten, Judenmann, hätte ich Ihnen die Kehle aufgeschlitzt. Niemand beleidigt die Dame, wenn ich danebenstehe, denn ich verdanke ihr mein Leben, mehr noch. Aber ich erzähle Ihnen diese Dinge, weil ich weiß, dass Sie sie lieben und sie nicht weniger lieben, wenn Sie um sie wissen.«
Miguel streckte nach holländischer Art die Hand aus. »Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.«
Hendrick grinste und schüttelte sie heftig. »Es hat zu lange Misstrauen zwischen uns geherrscht. Ich möchte, dass es damit ein Ende hat. Sie und Madame sind Freunde, und ich wäre auch gern Ihr Freund.«
Miguel konnte ob seines Glücks nur frohlocken. »Ich bin froh, dass Sie das sagen, denn ich trete mit einem äußerst heiklen
Problem an Sie heran und hatte gehofft, Sie wären in der Lage, mir zu helfen.«
»Sprechen Sie.«
Miguel holte tief Luft. »Ich werde von einem Verrückten belästigt. Dieser Bursche glaubt, ich schulde ihm Geld, was nicht der Fall ist, denn wir haben beide bei derselben Transaktion, die ordnungsgemäß und streng nach Gesetz abgewickelt wurde, Schaden erlitten. Jetzt verfolgt er mich und bedroht mich mit dem Tod. Mit Vernunftgründen kann ich ihn nicht davon abhalten, und an das Gesetz kann ich mich nicht wenden, weil er noch nichts Unrechtes gegen mich oder mein Eigentum unternommen hat.«
»Ich scheiße auf das Gesetz. Das Gesetz wird Ihnen nicht helfen«, sagte Hendrick, immer noch fröhlich paffend. »Wenn er Sie erst einmal aufgeschlitzt hat, dürfen Sie per Gesetz Wiedergutmachung einfordern. Was soll das nützen? Sie brauchen mir nur seinen Namen zu nennen, dann sorge ich dafür, dass er nie wieder jemandem schadet.«
»Ich habe gesehen, dass Sie ein Mann sind, der sich zu wehren weiß«, erklärte Miguel unter einigen Schwierigkeiten; es wahr ihm unangenehm, Hendrick auf so plumpe Weise zu schmeicheln. »Ich entsinne mich, wie gut Sie in der Schenke reagiert haben.«
»Entschuldigen Sie sich nicht, mein Freund. Ich verstehe, dass Sie sich nicht in Gefahr bringen können, indem Sie sich auf einen Streit mit diesem niederträchtigen Burschen einlassen. Ich
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