Der Kaffeehaendler - Roman
unbegrenzten Kredit einräumen, weil wir eigentlich jetzt schon reich sind. Wir warten nur darauf, dass der Rest der Welt erkennt, was wir bereits wissen.« Er beugte sich zu ihr und führte seine Lippen so nahe an ihre, wie an jenem Abend, als sie seinen Kuss abgewehrt hatte. Der Cherem oder Joachim und sogar die Tatsache, dass er ihr Geld verloren hatte, kümmerten ihn nicht mehr. Das waren lediglich unwichtige Details, die zu bewältigen waren. »Wir sind heute schon reich, Madame. Wir haben schon gewonnen.«
23
Nachdem Miguel die ganze Woche über die Ostindien-Ecke der Börse gemieden hatte, hatte er gerade einen kleinen Handel mit Pfeffer abgeschlossen, als ihm jemand auf die Schulter klopfte. Es war fast ein Hieb. Hinter ihm stand ein ungeduldiger und verlegener Isaiah Nunes.
»Nunes«, rief Miguel fröhlich aus und packte ihn am Arm. »Sie sehen gut aus, mein Freund. Es läuft wohl alles termingerecht mit unserem Geschäft, und wir können wie geplant mit der Ladung rechnen?«
Nunes konnte sich der überwältigenden Kraft von Miguels Frohsinn nie entziehen. »Ja, alles läuft nach Plan. Der Kaffeepreis ist gestiegen, aber ich habe ihn vor dem Anstieg für uns gesichert, sodass Sie nach wie vor nur dreiunddreißig Gulden pro Tonne zahlen.« Er schluckte. »Manche von uns halten ihr Wort.«
Miguel ignorierte den Seitenhieb. »Und der Inhalt bleibt geheim?«
»Wie ich es versprochen habe. Meine Mittelsmänner haben mir zugesagt, dass die Kisten nach Ihren Anweisungen etikettiert werden. Niemand wird ihren wahren Inhalt kennen.« Er schaute einen Augenblick beiseite. »Nun muss ich jedoch etwas anderes ansprechen.«
»Ich weiß, was Sie sagen wollen«, Miguel hielt eine Hand
hoch, »glauben Sie denn, ich würde hier nach Ihnen suchen, wenn ich nicht die Absicht hätte zu bezahlen? Ich versichere Ihnen, das Geld ist in zwei Tagen da. Spätestens drei.«
Nunes seufzte. »Sie haben nicht nach mir gesucht. Ich bin zu Ihnen gekommen. Und Versprechungen haben Sie schon früher gemacht.«
»Ich erwarte das Geld, das ich benötige, jeden Moment«, log Miguel. »Alles wird gut.«
Miguel musste sich um nichts mehr sorgen. Das Geschäft mit der Ostindischen Kompanie war vertraglich vereinbart worden und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Nunes würde die fünfhundert Gulden einfach eine Weile vorstrecken müssen. Er hatte das Geld; er konnte es sich leisten.
Miguel befand, dass es an der Zeit sei, den nächsten Teil seines Plans in die Tat umzusetzen. Er suchte einen Makler auf, mit dem er schon vorher zusammengearbeitet hatte, und erstand Verkaufsoptionen für Kaffee, fällig in zehn Wochen, mit denen ihm das Recht garantiert wurde, zum gegenwärtigen hohen Preis zu verkaufen. Miguel wollte Optionen im Wert von tausend Gulden erwerben, doch der Makler schien nicht willens, Miguel ein so hohes Darlehen zu geben. Da ihm nichts anderes übrig blieb, verwendete er den Namen seines Bruders als Sicherheit. Damit würde er ihm nicht schaden; Miguel würde von seinen Verkaufsoptionen profitieren und den Makler bezahlen, ohne dass Daniel erfuhr, was sein Bruder getan hatte.
»Ich werde Ihrem Bruder einen Brief schicken müssen, damit er mir seine Zustimmung bestätigt«, sagte der Makler.
»Natürlich. Mein Bruder hat allerdings die Angewohnheit, seine Korrespondenz tagelang liegen zu lassen. Markiert den Umschlag doch bitte mit einem Kringel, dann sorge ich dafür,
dass er sich der Sache sofort annimmt.« Miguel würde Annetje nach dem Brief Ausschau halten lassen. Es müsste ein Leichtes sein, ihn vor Daniel abzufangen.
Sobald die Transaktion abgeschlossen war, hatte Miguel gegen Gewissensbisse anzukämpfen. Es war ein Risiko, das Geld seines Bruders aufs Spiel zu setzen, aber er hatte alles im Griff. Er wäre nicht so verzweifelt gewesen, wenn sein Bruder nicht zu einem so unpassenden Zeitpunkt die Rückzahlung seines Kredits verlangt hätte. Es wäre etwas anderes, wenn Miguel Anfänger gewesen wäre, doch noch nie hatte er sich an der Börse so gut ausgekannt wie jetzt. Und mit dem Kaffee würde er einen Markt schaffen und gestalten, nicht nur auf ihn reagieren. Der Kaffeepreis würde fallen, weil er ihn fallen lassen würde. Daniels Geld konnte nicht sicherer angelegt sein.
Er rechnete damit, dass sich die Nachricht über seine Verkaufsoptionen rasch verbreiten würde, doch er hätte nicht erwartet, dass es so schnell geschah. Eine Stunde später, als Miguel aus der Börse und auf den Dam trat,
Weitere Kostenlose Bücher