Der Kaffeehaendler - Roman
ich eine Tochter bekomme, muss ich sie dazu erziehen, einem despotischen Gott zu dienen, der nicht einmal sein Angesicht zeigt, nur weil sie ein Mädchen ist? Sie haben gut reden mit Ihrer Anschuldigung, Ihnen gibt die Welt doch alles, was Sie
begehren. Ich erhalte nichts, und wenn ich mich ein wenig trösten will, soll ich dann verdammt sein?«
»Ja«, sagte Miguel, obwohl er selbst nicht glaubte und seine Antwort sofort bereute. Aber er war wütend. Er hätte nicht sagen können, warum, doch er fühlte sich verletzt, als hätte sie das Vertrauen zwischen ihnen zerstört.
Er hatte nicht bemerkt, wie die Tränen hervorquollen, aber da waren sie und glitzerten auf ihrem Gesicht. Er wehrte sich gegen sein Verlangen, sie an sich zu drücken, ihre Brüste an seiner Brust zu spüren, doch das war unmöglich, also fuhr er fort. »Ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen. Gehen Sie, bitte, damit ich darüber nachdenken kann, was ich mit diesem Wissen, das ich gar nicht haben wollte, anfangen soll.«
Seine grausamen Worte blieben ihm im Hals stecken; er wusste, wie sie sie deuten würde. Sie würde sich fragen, ob Miguel Stillschweigen bewahren würde. Er wusste jetzt, dass seine Schwägerin Papistin war, und diese Information konnte Daniel vernichten. Miguel konnte sie weitergeben, um den Platz seines Bruders in der Gemeinde an sich zu reißen, oder er konnte Daniel damit erpressen, ihm seine Schulden zu erlassen.
Miguel würde nichts von alledem tun. Wie abstoßend ihre Sünde auch sein mochte, er würde Hannah nicht verraten. Trotzdem verspürte er einen plötzlichen Zorn, sodass er sie bestrafen musste, und seine Worte waren für ihn die einzige Möglichkeit.
»Ich habe Stimmen gehört. Ist etwas passiert?«
Daniel tauchte, blass aussehend, in der Küchentür auf. Seine kleinen Augen waren auf seine Frau gerichtet, die viel zu nah neben Miguel stand.
»Es ist nur dein törichter Bruder«, sagte Hannah und verbarg ihr Gesicht in dem schwachen Licht. »Er ist in diesen nassen Sachen nach Hause gekommen und weigert sich, sie zu wechseln.«
»Es steht einer Frau nicht zu, darüber zu befinden, ob ein Mann töricht ist«, betonte Daniel nicht unfreundlich. Er erläuterte bloß etwas, das sie womöglich vergessen hatte. »Trotzdem«, sagte er zu Miguel, »vielleicht hat sie Recht. Ich will nicht, dass du dir eine Krankheit zuziehst und uns alle umbringst.«
»Der ganze Haushalt hat eine Meinung zu meinen Kleidern.« Miguel versuchte, unbefangen zu klingen. »Ich werde sie sofort wechseln, ehe auch noch das Dienstmädchen aufgefordert wird, ihren Kommentar abzugeben.«
Hannah trat eilig einen Schritt zurück, und Miguel wandte sich instinktiv der Treppe zu. Daniel hatte nichts bemerkt. Dessen war Miguel sich sicher. Was hätte es schließlich auch zu sehen gegeben? Dennoch, er musste das Verhalten seiner Frau doch kennen und sehen, dass ihr Blick nichts mit hausfraulicher Fürsorge zu schaffen hatte.
Seine Verwirrung über Hannahs Neigung zum Katholizismus war so groß, dass er mehrere Stunden lang an nichts anderes dachte. Erst in der Nacht fiel ihm ein, was sie über Geertruid gesagt hatte. Schlaflos wälzte er sich im Bett und bedauerte seine Härte gegenüber Hannah. Er wünschte, er könnte zu ihr gehen und ihr Fragen stellen. Und sich vielleicht entschuldigen.
Hannah trat am nächsten Morgen als Erste aus dem Haus, um nach dem Brotverkäufer Ausschau zu halten, dessen Rufe durch die von der morgendlichen Kühle beschlagenen Fenster drangen. Bevor ihr Mann seine Augen geöffnet, bevor Annetje sich gewaschen und angefangen hatte, das Frühstück zuzubereiten, hatte Hannah sich angekleidet, ihren Schleier festgesteckt und stand draußen.
So fand sie den Schweinskopf. Er lag auf der Schwelle, wenige Zentimeter vor der Tür, in einer geronnenen Blutlache.
Schon hatten Ameisen begonnen, so zahlreich darauf herumzukrabbeln, dass Hannah zunächst nur einen schwarzen, sich bewegenden Klumpen erkannte.
Ihr Schrei weckte das Haus und die Nachbarn. Miguel hatte schlecht geschlafen, war früh aufgestanden und saß bereits angezogen in seinem Zimmer. Er mühte sich mit dem allwöchentlichen Abschnitt der Thora, als ihre schrille Stimme die winzigen Fenster des Kellers durchdrang, und er entdeckte Hannah, eine Hand vor dem Mund, als Erster auf den Stufen. Sie drehte sich zu ihm um, stürzte sich in seine Arme und vergrub weinend ihren Kopf in seinem Hemd.
Sie ließen unverzüglich den Arzt rufen, der ihr Arznei und einen
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