Der Kaffeehaendler - Roman
deshalb kann sich dein Gläubiger nicht an die Gerichte wenden. Diese Scheußlichkeit auf der Schwelle meines Hauses soll dich mahnen, zu bezahlen oder andernfalls mit unangenehmen Folgen zu rechnen.«
Miguel konzentrierte sich darauf, durch seinen Gesichtsausdruck nichts zu verraten. »Wie bist du zu diesem kuriosen Schluss gelangt?«
»Er war unvermeidlich«, sagte Daniel. »Hannah fand einen Zettel, der zusammengerollt dem Schwein ins Ohr gesteckt worden war.« Er hielt einen Augenblick inne, um die Reaktion seines Bruders einzuschätzen. »Aus Gründen, die mir nicht bekannt sind, steckte sie ihn in ihre Tasche, doch der Arzt entdeckte ihn und zeigte ihn mir mit der größten Besorgnis.« Er griff hinter sich in das Bücherregal nach einem kleinen Blatt Papier, das er Miguel reichte. Es war ein alter Fetzen – offenkundig von einem für einen anderen Zweck benutzten Dokument abgerissen – und stark mit Blut verschmiert. Miguel konnte von dem Geschriebenen nicht viel erkennen, bis auf ein paar holländische Worte – Ich will mein Geld – und ein paar Zeilen darunter meine Frau.
Miguel gab Daniel den Zettel zurück. »Ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll.«
»Du hast keine Ahnung?«
»Nein.«
»Ich muss diesen Vorfall dem Ma’amad melden, der ihn zweifellos untersuchen wird. Wir können die Angelegenheit auf keinen Fall auf sich beruhen lassen. Zu viele Nachbarn haben Hannahs Not miterlebt.«
»Du würdest deinen eigenen Bruder opfern, um Parido dabei zu helfen, seinen kleinlichen Rachefeldzug zu führen?« Miguel sprach so drängend, dass er einen Moment lang vergaß, dass die Umstände auf keinen geringeren Missetäter als Joachim hindeuteten. »Ich habe mich schon gefragt, wem deine Loyalität wohl gilt, und mich stets getadelt, weil ich argwöhnte, dass du diesen Mann deinem eigenen Fleisch und Blut vorziehst. Aber jetzt sehe ich, dass du nichts weiter bist als ein Mitspieler in seinem Puppentheater. Er zieht die Fäden, und du tanzt.«
»Meine Freundschaft mit Senhor Parido ist kein Loyalitätsbruch«, schnauzte Daniel zurück.
»Und doch stellst du ihn über deinen eigenen Bruder«, sagte Miguel.
»Ihr braucht ja nicht miteinander zu konkurrieren. Warum muss ich mich für einen von euch beiden entscheiden?«
»Weil er es so eingerichtet hat. Du würdest mich für diesen Mann opfern, und zwar, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Dann kennst du mich nicht.«
»Ich glaube doch«, sagte Miguel. »Antworte mir ehrlich. Wenn du gezwungen wärst, zwischen uns beiden zu wählen, eine Entscheidung zu treffen, bei der du definitiv für einen von uns Partei ergreifen müsstest, würdest du auch nur für eine Minute erwägen, zu mir zu halten?«
»Ich weigere mich, deine Frage zu beantworten. Das ist ja Wahnsinn.«
»Dann beantworte sie nicht«, sagte Miguel. »Spar dir die Mühe.«
»Genau. Die Mühe spare ich mir. Warum überhaupt von derartigen Entscheidungen sprechen? Senhor Parido hat seine Güte bewiesen, indem er weiter freundlich zu unserer Familie war, auch nachdem du seiner Tochter großen Schaden zugefügt hast.«
»Da ist kein Schaden angerichtet worden. Es war nur eine alberne Affäre, die keine dauerhaften Folgen gehabt hätte, wenn er nicht völlig den Verstand verloren hätte. Ich habe mit seinem Dienstmädchen getändelt, und seine Tochter hat es gesehen. Warum musste er so ein Geschrei um nichts machen?«
»Es ist ein Schaden entstanden, und zwar ein permanenter«, erwiderte Daniel streng, »und falls Senhor Parido dir deswegen zürnt, kann ich ihn jedenfalls gut verstehen, denn du warst kurz davor, bei meinem ungeborenen Kind denselben Schaden anzurichten.«
Miguel wollte antworten, hielt sich jedoch zurück. Es war mehr an der Sache, als er wusste. »Was für einen Schaden?«, fragte er. »Sie hat einen Schrecken bekommen. Weiter war nichts.«
»Ich hätte nichts sagen sollen.« Daniel schaute beiseite.
»Wenn du etwas weißt, musst du es mir erzählen. Ich werde Parido selbst fragen, wenn es sein muss.«
Daniel legte eine Hand an seine Stirn. »Nein, tu das nicht«, sagte er eindringlich. »Ich erzähle es dir, aber du darfst ihm nicht sagen, dass du es weißt oder dass du es von mir hast.«
Trotz seiner Angst hätte Miguel am liebsten gelächelt. Daniel würde Parido verraten, um seine eigene Haut zu retten.
»Antonia ist mehr zugestoßen, als Parido die Welt wissen lassen wollte. Als sie ins Zimmer kam und dich bei deinem unaussprechlichen Akt mit ihrem
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