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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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sklavischer Inbrunst zu Eigen, und so ein Mann war auch Miguels Vater gewesen. Nicht etwa, dass sein Glaube tief war, doch er glaubte zutiefst daran, die Welt mit seinen regelmäßigen Kirchgängen, seiner öffentlichen Anprangerung des jüdischen »Aberglaubens«, und seinen Spenden an die Kirche von seiner Aufrichtigkeit überzeugen zu können. Die Neuchristen, aufrichtig oder nicht, lebten zusammen in einer Gemeinde, und Miguels Vater wollte, dass seine Söhne sich von den rückfällig gewordenen Abtrünnigen fern hielten. »Meine Großeltern haben sich dafür entschieden zu konvertieren, statt ins Exil zu gehen«, hatte er erklärt, »und ich werde ihre Entscheidung respektieren.«
    Vielleicht aus Trotz gegen seinen Vater, vielleicht auch, weil er die Gefahr liebte, hatte Miguel schon als Junge begonnen, sich heimlich Gruppen anzuschließen, die den Talmud studierten. Die älteren Männer dort ermutigten ihn, gaben ihm das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, und ließen ihn spüren, dass auch sie seinen Vater für einen ungehobelten Kerl hielten. Miguel genoss es, Teil von etwas zu sein, das größer war als er, und etwas Verbotenes zu tun, das zugleich richtig war.
    Miguels jüngerer Bruder Daniel spürte die Entfremdung zwischen Vater und Sohn und nutzte sie aus, indem er seinem Vater tagtäglich auf dutzendfache Weise zeigte, dass er keiner dieser furchtbaren Abtrünnigen war, die nichts als Leid über ihre Gemeinde brachten. Der Vater neigte sowieso dazu, Daniel zu bevorzugen, weil er seiner eigenen Seite der Familie weitaus mehr glich, Miguel dagegen auffallende Ähnlichkeit
mit der Mutter hatte. Daniel war immer dünn gewesen wie der ältere Lienzo, nur scharfe Kanten und Ecken, die Augen zu groß für sein Gesicht, die Hände zu klein für seinen Körper. Miguel kam nach der mütterlichen Seite – massige Männer, die Aufmerksamkeit fordern, genau der Typ, den der ältere Lienzo stets verachtet hatte.
    Als sein Vater entdeckte, dass Miguel die Synagoge besuchte, nannte er ihn einen Verräter und einen Narren. Er schloss Miguel für eine Woche in einen Raum ein, der nichts weiter enthielt als Wein, einige getrocknete Feigen, zwei Laibe Brot und einen Nachttopf, der viel zu klein war für einen so langen Zeitraum. Später sollte dieses Ereignis sich wiederholen: Sein Vater fiel der Inquisition zum Opfer, er wurde in ein Gefängnis gesperrt und – ein Unfall, so wurde behauptet – zu Tode gefoltert. Er war von einem anderen Converso verraten worden, der unter dem Messer des Inquisitors alle Namen ausrief, an die er sich erinnern konnte, mochten sie Christen, Juden oder Mohammedaner sein.
    Miguel war damals schon drei Jahre fort. Er hatte mit seinem Vater gebrochen, da dieser gegen seine Heirat mit Katarina war. Sie hatte nicht nur zu wenig Geld, sondern ihre Familie bestand außerdem aus bekannten Judaisten, die ihnen allen Schwierigkeiten einbringen würden. Und sie war viel zu hübsch. »Ich mag dich nicht mit einem so schönen Mädchen sehen«, hatte er zu Miguel gesagt. »Es ist unpassend, dass du eine besser aussehende Frau heiratest als dein Vater. Das tut kein ehrerbietiger Sohn.«
    Miguel ließ sich nicht so leicht von der Mitgift beeinflussen, und er fand es vollkommen passend, eine hübsche Frau zu heiraten. Doch Katarina war nicht nur wunderschön, sie war auch klug. Ihre Familie war fromm, und sie hatte einen Onkel, der ein großer Talmud-Gelehrter in Damaskus war. Sie verstand Hebräisch besser als die meisten Männer in Lissabon.
Sie kannte die Liturgie und konnte einen Haushalt in Übereinstimmung mit den heiligen Schriften führen. Miguels Vater hatte verärgert ausgespuckt, als Miguel verkündete, sie hätten heimlich geheiratet. »Du wirst es noch bereuen, dich mir widersetzt zu haben«, sagte er, »und du wirst bedauern, dass du eine Frau geheiratet hast, die lesen kann. Ich spreche kein weiteres Wort mit dir, bis du zu mir kommst und mich um Vergebung bittest.«
    Vier Monate später, als Katarina an einem plötzlichen Fieber verstorben war, redeten sie zum letzten Mal miteinander. »Dem Herrn sei Dank, dass es vorüber ist«, hatte sein Vater am Ende der Trauerfeier zu Miguel gesagt. »Jetzt können wir dich mit einer Frau verheiraten, die unserer Familie etwas einbringt.« Zwei Wochen später bestieg Miguel ein Schiff in die Vereinigten Provinzen.
    Während er in Amsterdam sesshaft wurde, exportierten sein Vater und sein Bruder weiterhin Wein, Feigen und Salz, doch dann wurde der

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