Der Kaffeehaendler - Roman
räsonierte, einen Rückzieher machte, sich für sein Geschwafel entschuldigte und dann verlangte, dass Miguel ihm zustimmte. Plötzlich hielt er inne und bückte sich.
»Herrgott noch mal, ich habe mir einen Zeh gebrochen!«, rief er. Wie die meisten Juden aus Portugal fluchte er wie ein Katholik. »Hilf mir, Miguel!«
Miguel beugte sich vor, um seinem Freund aufzuhelfen. »Du Säufer, woran hast du dir deinen Zeh gebrochen?«
»An nichts«, flüsterte Nunes. »Es ist eine Finte. Erkennst du keine Finte, wenn du eine siehst?«
»Nicht, wenn es eine gute ist.«
»Das soll wohl ein Kompliment sein.«
»Nun, da wir festgestellt haben, dass du dir nur vorgeblich den Zeh gebrochen hast, um mich zu täuschen«, sagte Miguel leise, »könntest du mir vielleicht mitteilen, warum du so etwas tust.«
»Bei der Heiligen Jungfrau!«, schrie Nunes auf. »Es tut weh! Hilf mir, Miguel!« Im trüben Licht der spärlichen Kerzen sah Miguel, wie Nunes für einen Moment konzentriert die Augen schloss. »Im Schatten an der Tür lauert ein Mann«, flüsterte Nunes. »Er beobachtet dich.«
Miguel fühlte, wie er sich verkrampfte. Ein im Schatten lauernder Mann konnte nichts Gutes bedeuten. Schon öfter war er von einem wütenden Gläubiger in einen feuchten Wirtshauskeller gelockt und dort gefangen gehalten worden, bis er nach dem Geld schickte, das er schuldete, oder sich irgendwie herausreden konnte.
Dann schoss ihm ein anderer Gedanke durch den Kopf. Die seltsamen Briefe, die er erhalten hatte. Ich will mein Geld . Er spürte ein Kribbeln auf seiner Haut.
»Hast du ihn erkannt?«, fragte er Nunes.
»Ich habe einen kurzen Blick auf ihn geworfen, und wenn ich mich nicht irre, ist es Solomon Parido.«
Miguel blickte verstohlen zum Ausgang und sah eine Gestalt in die Dunkelheit treten. »Heiliges Sakrament. Was will er?« Der Parnass war seit einem unglückseligen Vorfall vor zwei
Jahren, der damit endete, dass er sein Angebot, seine Tochter mit Miguel zu verheiraten, zurückgezogen hatte, sein Feind.
»Nichts Gutes, darauf kannst du dich verlassen. Ein auf der Lauer liegender Parnass bedeutet immer etwas Schlimmes, und Parido ist schlimmer als die meisten. Um ehrlich zu sein, ich möchte nicht, dass er uns zusammen sieht. Ich habe auch ohne einen Parnass genug Sorgen.«
»Du hast überhaupt keine Sorgen«, sagte Miguel düster. »Ich sollte dir welche von meinen leihen.«
»Dein Bruder macht doch Geschäfte mit ihm, oder? Warum kann er nicht Parido bitten, dich in Ruhe zu lassen?«
»Offen gestanden glaube ich, dass mein Bruder ihn noch ermutigt«, meinte Miguel bitter. Schlimm genug, dass er von seinem jüngeren Bruder abhängig war, aber Daniels Freundschaft mit dem Parnass ärgerte ihn besonders. Bestimmt berichtete Daniel ihm alles, was Miguel sagte oder tat.
»Lass uns wieder reingehen«, schlug Nunes vor. »Wir warten, bis er weg ist.«
»Die Genugtuung gönne ich ihm nicht. Ich werde es darauf ankommen lassen müssen, aber ich glaube nicht, dass dein Auftritt ihn getäuscht hat. Wir sollten deinen Zeh brechen, sonst wirst du noch beschuldigt, in der Synagoge gelogen zu haben.«
»Ich bin deinetwegen ein Risiko eingegangen. Du könntest ein wenig Dankbarkeit zeigen.«
»Du hast Recht. Sollte er deinen Zeh inspizieren und feststellen, dass er heil ist, sagen wir einfach, hier wäre ein großes Wunder geschehen.«
Sie humpelten hinaus in den Hof. Und obgleich er sich beherrschen wollte, konnte Miguel nicht anders, als einen Blick in die Ecke zu werfen, wo er Parido gesehen hatte. Aber der Parnass war nicht mehr da.
»Dass Parido dir auflauert, ist schlimm genug«, bemerkte
Nunes, »aber dass er dir nachspioniert und dann im Schatten verschwindet – das ist noch furchtbarer, als ich gedacht habe.«
Miguel war nicht wohl in seiner Haut. »Gleich wirst du mir erzählen, dass ein Viertelmond die Sache noch schlimmer macht.«
»Ein Viertelmond ist ein schlechtes Omen«, stimmte Nunes zu.
Miguel räusperte sich. Was wollte der Parnass von ihm? Er hatte in der letzten Zeit keine religiösen Gebote öffentlich verletzt, obgleich es sein konnte, dass er mit Hendrick auf der Straße gesehen worden war. Dennoch, unpassender Kontakt mit Nichtjuden rechtfertigte kaum eine derartige Aktion. Parido führte etwas anderes im Schilde, und obwohl Miguel nicht wusste, was, so war ihm klar, dass es nichts Gutes war.
Aus
Die auf Tatsachen beruhenden und aufschlussreichen Memoiren des Alonzo Alferonda
Meine Übersiedlung nach
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