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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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ältere Lienzo von der Inquisition verhaftet, und alles hatte ein Ende. Nach portugiesischem Recht durfte die Kirche die materiellen Güter eines jeden konfiszieren, der von der Inquisition verurteilt worden war, deshalb waren wohlhabende Kaufleute besonders beliebte Opfer. Nachdem Miguels Vater vor dem Urteilsspruch gestorben war, wurde er posthum für schuldig befunden, und das Familienunternehmen existierte nicht mehr. Seiner meisten Besitztümer beraubt, hatte Daniel keine andere Wahl, als Lissabon zu verlassen und seinem Bruder und dem Strom von Conversos nach Amsterdam zu folgen.
     
    Der Ma’amad hatte Miguel bei seiner Ankunft in Amsterdam willkommen geheißen; seine Lehrer halfen ihm, seine Kenntnisse der heiligen Sprache zu erweitern, lehrten ihn die Liturgie und erklärten ihm die religiösen Feiertage. Obgleich noch
benommen vor Gram um Katarina, waren jene ersten Wochen erfüllt gewesen von freudiger Erregung und Lerneifer, und seine Beschneidung war zwar ein Ereignis, an das er sich nicht gern erinnerte, aber auch diese blutige Angelegenheit war bewegend gewesen. Es dauerte jedoch nicht lange, ehe er feststellte, dass die Unterstützung durch den Ältestenrat ihren Preis hatte. Die Parnassim , aus denen sich der Ma’amad zusammensetzte, herrschten absolut, und wer in der Gemeinde lebte, lebte nach ihrem Gesetz oder wurde ausgestoßen.
    Zwei Abende nach der Begegnung mit Geertruid hatte Miguel eine Zusammenkunft in der Talmud-Thora besucht. Hier tat sich der Ma’amad hervor. In den klösterlichen Gemächern der Synagoge trafen sich regelmäßig Gruppen zum Thora-Studium, Juden, die vor kurzem aus Iberien und vor der Inquisition geflüchtet waren und nichts über ihren Glauben wussten, nur, dass er ihnen im Blute lag, die lernten, wie sie sich zu betragen, zu beten, als Juden zu leben hatten. Im Nebenraum diskutierten kluge Männer, die Chachamim , Einzelheiten des Talmuds, die Miguel nie auch nur in ihren Grundzügen zu erfassen meinte. Er traf auf Männer, die ihm ähnlich waren – erst in den letzten Jahren angekommen, aber entschlossen, sich die Lebensweise ihrer Väter zu Eigen zu machen. Sie lasen ihr wöchentliches Quantum der Thora und bemühten sich, seine Bedeutung zu entschlüsseln, während ein Chacham , der sie anleitete, den entsprechenden Talmud-Kommentar erörterte.
    Miguel liebte diese Zusammenkünfte. Er freute sich die ganze Woche darauf. Er hatte nur selten Zeit, die Thora zu Hause zu studieren – dafür versuchte er, mindestens ein-, zweimal pro Woche zu den frühmorgendlichen Sitzungen zu gehen. Deshalb waren diese Treffen doppelt kostbar. Für wenige, kurze Stunden konnte er vergessen, dass der Abrechnungstag grausam näher rückte und die Weinbrandterminkontrakte,
die er so entschlossen gekauft hatte, ihn in noch hoffnungslosere Schulden stürzen würden.
    Nach einer dieser Zusammenkünfte blieb Miguel mit seinem Freund Isaiah Nunes in den Hallen der Talmud-Thora stehen, um ihre Debatte über die Interpretation eines besonders schwierigen Kapitels hebräischer Grammatik fortzusetzen. Nunes trieb seinen Handel überwiegend entlang der Straßen der Levante, hatte jedoch kürzlich begonnen, in das Geschäft mit portugiesischem Wein einzusteigen. Da er vor dem Treffen zu viele Proben eines Käufers verkostet hatte, argumentierte er jetzt lautstark. Seine Stimme hallte von der hohen Decke der nahezu leeren Synagoge wider.
    Nunes war ein schwergliedriger Mann, massig, ohne direkt dick zu sein. Noch keine dreißig Jahre alt, hatte er es bereits geschafft, sich zu etablieren, seinen Platz auf den Routen der Levante zu sichern. Miguel mochte den jungen Händler, obwohl er seinen Aufstieg skeptisch beobachtete. Mehr durch Zufall stolperte Nunes über lukrative Geschäfte; er investierte umsichtig, aber mit geradezu unverschämtem Glück; er hatte eine schöne und gehorsame Ehefrau, die ihm zwei Söhne geschenkt hatte. Allerdings war Nunes unfähig, sich an ihnen zu erfreuen. In seiner Jugend hatte er miterlebt, wie ein Verwandter nach dem anderen der Inquisition in die Hände gefallen war, und das hatte zu seinem Hang zur Nervosität geführt. Er betrachtete seinen Erfolg als bloße Illusion, als Machwerk des Teufels, der nur darauf zielte, Nunes’ Hoffnungen zu wecken, ehe er sie zunichte machte.
    Die beiden bahnten sich im Dunkeln ihren Weg hinaus. In den Fluren brannten nur wenige Kerzen. Nunes war gerade mitten in einer langen Tirade, von der die Hälfte reiner Unsinn war, da er

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