Der Kaffeehaendler - Roman
Unterfangen?
Er war sein Leben lang Risiken eingegangen. Sollte er damit aufhören, weil er die Willkür und Tyrannei des Ma’amad fürchtete, jenes Rats, der, mit der Aufrechterhaltung des Gesetzes von Moses betraut, seine Macht höher einschätzte als das Wort Gottes? Im Gesetz stand nichts über holländische Witwen. Warum sollte er nicht sein Vermögen mit einer machen?
Er hätte versuchen können, heute noch mehr Geschäftliches zu erledigen, doch er war zu abgelenkt. Stattdessen ging er in die Talmud-Thora-Synagoge zum Nachmittags- und Abendgebet. Die mittlerweile vertraute Liturgie beruhigte ihn wie Gewürzwein, und als er heraustrat, fühlte er sich neu gestärkt.
Während er die kurze Strecke von der Synagoge zum Haus seines Bruders lief und sich dabei eng an die Häuser am Kanalufer hielt, um weder die Aufmerksamkeit von Dieben noch der Nachtwache zu wecken, vernahm Miguel das Klicken von Rattenkrallen auf den Holzplanken, die über den Kloaken lagen. Kaffee , sang er vor sich hin. Er benötigte kaum eine Woche, um Geertruid seine Antwort zu geben. Er brauchte nur Zeit, um sich selbst davon zu überzeugen, dass dieses gemeinsame Unternehmen nicht sein Untergang werden würde.
Aus
Die auf Tatsachen beruhenden und aufschlussreichen Memoiren des Alonzo Alferonda
Ich heiße Alonzo Rodrigo Tomas de la Alferonda, und ich brachte den Kaffee nach Europa – ich verhalf zu seiner dortigen Verbreitung, könnte man sagen. Nun, vielleicht ist das übertrieben, weil der Kaffee seinen Aufstieg gewiss auch ohne meine Anstrengungen vollzogen hätte. Sagen wir stattdessen, dass ich der Geburtshelfer war, der seinen Weg vom Dunkel ins Licht ebnete. Nein, werden Sie sagen, auch das sei ich nicht gewesen; es war Miguel Lienzo, dem das gelang. Welche Rolle könnte Alonzo Alferonda dann beim Triumphzug dieser herrlichen Frucht gespielt haben? Eine größere, als allgemein angenommen wird, das versichere ich Ihnen. Und denen, die da behaupten, ich hätte nichts als Unheil angerichtet, hätte die Sache behindert und ihr geschadet, statt sie gefördert, kann ich nur antworten, dass ich mehr weiß als meine Kritiker. Ich war dabei – und Sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.
Mein richtiger Name ist Abraham, so wie der Name meines Vaters und seines Vaters. Alle erstgeborenen Söhne der Alferondas tragen insgeheim den Namen Abraham, weil Juden geheime Namen haben. Davor, als die Mauren Iberien regierten, nannten sie sich offen Abraham. Einen großen Teil meines Lebens war es mir nicht erlaubt, meinen Namen laut auszusprechen, außer in dunklen Räumen, und auch dort nur flüsternd. Diejenigen, die meine Handlungen anzweifeln, sollten sich
dies vor Augen halten. Wie würden Sie sich verhalten, wenn Ihr Name geheim gehalten werden müsste, wenn dessen Enthüllung Sie und Ihre Freunde und Angehörigen das Leben kosten könnte?
Ich wurde im portugiesischen Lissabon in einer Familie von Juden geboren, denen es nicht gestattet war, als Juden zu beten. Man bezeichnete uns als Neuchristen oder Conversos , denn unsere Vorfahren waren gezwungen worden, zum christlichen Glauben zu konvertieren, sonst hätten sie ihr Vermögen – oft auch ihr Leben – verloren. Um Folter und Ruin oder sogar dem Tod zu entgehen, beteten wir öffentlich als Katholiken, im Schatten von Kellern dagegen, in geheimen Synagogen, an immer neuen Treffpunkten, beteten wir als Juden. Gebetsbücher waren rar und eine Kostbarkeit für uns. Bei Tageslicht mochte ein Mann seinen Reichtum in Gold messen, aber in der Finsternis jener dunklen Räume maßen wir Reichtum in Buchseiten und Wissen. Nur wenige von uns konnten die paar hebräischen Büchern lesen, die wir hatten. Nur wenige kannten die richtigen Gebete für die Feiertage oder für den Sabbat.
Mein Vater kannte sie, zumindest einige. Da er die frühe Kindheit im Osten verbracht hatte, war er unter Juden aufgewachsen, die das Gesetz in der Ausübung ihrer Religion nicht einschränkte. Er hatte Gebetsbücher, die er freizügig verlieh. Er besaß ein paar Bände des babylonischen Talmuds, doch er konnte kein Aramäisch und seine Seiten deshalb kaum entschlüsseln. Die heimlichen Juden von Lissabon kamen zu ihm und lernten die heilige Sprache, lasen Gebetsbücher für den Sabbat und erfuhren alles über das Fasten an Fastentagen und das Feiern an Feiertagen. Er lehrte sie, während des Laubhüttenfestes im Freien zu speisen, und brachte ihnen bei, sich zu Purim einen fröhlichen Rausch anzutrinken.
Ich will
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