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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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Glück, etliche Monate in der Heiligen Stadt Jerusalem zu verbringen. Sie ist nur noch ein Schatten ihrer früheren Pracht, aber es gab Zeiten in meinem unglücklichen Leben, in denen die Erinnerung an jene Tage, als ich durch die Straßen der alten Hauptstadt meiner Nation spazierte und den Platz besuchte, wo einst der Heilige Tempel stand, mich stärkte, wenn ich sonst in nichts mehr einen Sinn sah. Sollte es der Wille des Heiligen sein, gesegnet sei Er, so werde ich irgendwann an jenen heiligen Ort zurückkehren und meine mir verbleibenden Tage dort verleben.
    Auf unseren Reisen durchquerten wir auch Europa, und wir waren gerade in London, als mein Vater an einem Gehirnfieber starb. Ich war damals fünfundzwanzig, herangewachsen zu einem Mann, aber ohne die Neigungen meines Vaters. Mein jüngerer Bruder Mateo wollte das Kommando über das Heer der Verfemten übernehmen, und ich wusste, dass er die Fähigkeit hatte, sie anzuführen. Obgleich ich jahrelang umhergezogen war, war ich eigentlich kein Wanderer. Ich beherrschte Karten- und Würfeltricks, doch nicht halb so gut wie Mateo. Ich konnte einen Hund lediglich dazu bringen, mir seinen Bauch zu zeigen, und eine Katze zu nichts anderem, als mir auf den Schoß zu springen. Mein Vater hatte stets davon gesprochen, wie wichtig es für Juden sei, als Juden und unter
Juden zu leben, und von einem Besuch Amsterdams einige Jahre zuvor entsann ich mich, dass Juden in dieser Stadt ein Ausmaß an Freiheit genossen, das in der restlichen Christenheit unerreicht war.
    Also überquerte ich die Nordsee und wurde von der großen Gemeinde portugiesischer Juden, die in Amsterdam lebten, herzlich willkommen geheißen. Zumindest anfangs war die Aufnahme herzlich. Und deshalb schreibe ich diese Memoiren. Ich möchte erklären, wieso ich von einem Volk, das ich liebte, zu Unrecht verbannt wurde. Ich möchte der Welt mitteilen, dass ich nicht der Schurke bin, für den sie mich hält. Und ich möchte die wahren Tatsachen über Miguel Lienzo und seine Beziehung zum Kaffeehandel auf Papier festhalten, da ich bislang viele Vorwürfe einstecken musste, und auch das zu Unrecht. Mir liegt viel daran, mein Tun und Treiben in Amsterdam, die Umstände meiner Exkommunikation, mein Leben in jener Stadt danach und die genaue Rolle, die ich in Lienzos Angelegenheiten spielte, zu beschreiben.
    Es stimmt, dass ich, noch ehe ich laufen konnte, eine Karte in meinen Kleidern verschwinden und den Würfel so rollen lassen konnte, wie ich es wollte, aber ich gelobe, auf diesen Seiten nicht zu schwindeln. Ich werde wie der Bärenmann sein, ein verdrießlicher Bursche, mit dem ich jahrelang umherreiste. Ich werde mich entkleiden, um Ihnen die Wahrheit der Natur zu zeigen. Wenn Sie es wünschen, lieber Leser, dürfen Sie sogar am Pelz zupfen, um zu sehen, dass er nicht falsch ist.

2
    Geertruid verstand die Schwierigkeiten nie, denen sich Miguel gegenübersah, wenn er Geschäfte mit ihr machte. Sie mochte mitfühlend lächeln, wenn er seine Befürchtungen aussprach, doch am Ende glaubte sie fast immer, sein Widerstand sei eine eigenwillige hebräische Verschrobenheit, wie die, keinen Tintenfisch zu essen oder sich zu weigern, samstags tagsüber nichts Geschäftliches zu besprechen, am Samstagabend dagegen gern.
    Miguel verabscheute den Gedanken, dass sie ihn für töricht oder halsstarrig hielt. Wenn er das eine oder andere unwichtige Gebot übertrat – unreinen Wein trank oder am Sabbat ein wenig arbeitete -, fragte sie ihn, wie er das tun und trotzdem behaupten könne, er sorge sich so sehr um die Einhaltung der Vorschriften. Er wusste nicht, wie er ihr erklären sollte, dass niemand außer einem Zaddik – ein vollendet Frommer – hoffen konnte, alle Gesetze einzuhalten; es war die Mühe, die einen dem Heiligen, gesegnet sei Er, näher brachte.
    Obwohl er ihr von seiner Vergangenheit erzählt hatte, konnte Geertruid sich kein Bild davon machen, wie es gewesen sein musste, als heimlicher Jude in Lissabon zu leben. Wenn es so schrecklich war, pflegte sie zu fragen, warum sind die Juden dann überhaupt dort geblieben?
    Ja, warum eigentlich? Weil es der Ort war, wo sie stets gelebt
hatten, seit Hunderten von Jahren. Weil ihre Familien da waren, ihre Geschäfte. Manche blieben, weil sie kein Geld hatten, andere, weil sie zu viel besaßen. Die Geschichten über die Freiheit in Amsterdam und im Osten klangen so schwer fassbar wie die Ankunft des Messias.
    Viele Neuchristen machten sich den Katholizismus mit

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