Der Kaffeehaendler - Roman
wusste, dass Ricardo ihn aufhalten würde.
»Warten Sie«, sagte Ricardo. Er ließ sich langsam wieder auf seinen Stuhl sinken. »Warten Sie, warten Sie.«
»Ich warte ja. Das tue ich seit geraumer Zeit.«
»Ich verstehe.« Ricardo hob in einer Halte-den-Mund-Geste die Hand. »Ich biete Ihnen Folgendes an. Ich nenne Ihnen den Namen meines Klienten, und Sie können Ihre Schuld selbst eintreiben, doch Sie dürfen ihm nicht sagen, dass ich es war, der ihn verraten hat. Und Sie dürfen Parido nichts erzählen. Er weiß nicht, dass ich in dieser Sache seinen Namen verwendet habe, und es wäre mir lieb, wenn es dabei bliebe.«
Miguel schluckte. Endlich würde er sein Geld bekommen. Und er hatte gewonnen – etwas, das in letzter Zeit viel zu selten vorgekommen war. »Einverstanden«, sagte er.
Ricardo seufzte. »In Ordnung. Sie müssen wissen, dass mich mein Klient sehr deutlich angewiesen hat, diese Information geheim zu halten. An mir hat es nicht gelegen.«
»Nennen Sie mir einfach den Namen.«
»Das habe ich Ihnen doch versprochen. Sein Name«, sagte er, »ist Daniel Lienzo.« Er stieß ein quiekendes kleines Lachen aus. »Es ist recht komisch, wenn man es sich so vorstellt. Er hat Sie unter Druck gesetzt wegen der tausend Gulden, die Sie von ihm geliehen hatten, aber er schuldet Ihnen mehr als das Doppelte. Er hat sich Ihnen gegenüber aufgespielt, als ob Sie in seiner Schuld stünden, dabei war er in den letzten Wochen Ihr Schuldner, und Sie wussten es nicht einmal. Finden Sie das auch so lustig wie ich?«
Miguel hob einen Stapel Papier hoch und warf ihn nach Ricardo, sodass sich dessen Notizen und Hauptbücher und Korrespondenz im ganzen Raum verstreuten. Damit hoffte er deutlich genug zu erkennen zu geben, dass er nicht ganz so belustigt war wie Ricardo.
29
Miguel hatte gewusst, dass es um Daniels Finanzen schlecht stand, aber nicht, in welchem Ausmaß. Seinen Hohn und Spott, sein Murren über Miguels Fehlspekulationen, obwohl er sich selbst verspekuliert hatte – all das hätte Miguel verzeihen können; er verzieh Daniel auch das überlegene Gehabe und die kritischen Blicke. Was er ihm nicht verzeihen konnte, war, dass er Geld zurückbehalten, Geld gestohlen hatte, obwohl er wusste, dass sein Bruder es brauchte.
Aber trotz seines Grolls wagte Miguel nicht, darüber zu sprechen. Er wagte nicht, sich zu beschweren, denn bis die Angelegenheit mit dem Kaffee so oder so abgeschlossen war, wollte er keinen Streit riskieren, da ein Auszug viel zu viel Aufmerksamkeit erregt hätte.
Einige Tage später kam Annetje erneut mit einer Ankündigung zu Miguel, die ihn nicht einmal mehr erstaunte. Joachim Waagenaar warte an der Tür und wünsche, ihn zu sehen.
Joachim kam die schmale Treppe heruntergeklettert, stützte sich mit einer Hand ab, mit der anderen umklammerte er seinen Hut. Er stolperte und schwankte wie ein Säufer.
»Nun, Senhor, es scheint, dass sich der Kreis geschlossen hat. Wie man so schön sagt: Ein Vogel kehrt immer ins eigene Nest zurück.«
Joachim war nicht so betrunken, wie er zunächst gewirkt hatte. Miguel kam ein Gedanke: Joachim hatte sich lediglich Mut angetrunken. Aber wozu? Miguel hielt nach etwas Ausschau, mit dem er sich schützen konnte.
»Ist dies Ihr Nest?«, sagte er. »Ich glaube kaum.«
»Da bin ich anderer Meinung.« Joachim nahm ohne Aufforderung Platz. »Ich habe das Gefühl, dass ich in diesem Raum geboren wurde – mein Ich, zu dem ich geworden bin. Und was ich geworden bin, das weiß ich inzwischen selbst kaum mehr.«
»Sind Sie hergekommen, um mir das zu sagen?«
»Nein. Nur, dass ich nachgedacht habe und seltsamerweise zu dem Schluss gekommen bin, dass Sie womöglich der beste Freund sind, den ich zurzeit habe. Merkwürdig, nicht wahr? Früher waren wir – nun, keine richtigen Freunde, doch etwas Ähnliches. Dann waren wir Feinde. Daran war ich größtenteils selber schuld, obgleich mein Zorn gerechtfertigt war, das wissen Sie sicher. Und jetzt sind wir endlich Freunde. Wahre Freunde, meine ich. Die füreinander da sind.«
»Wie kommen Sie zu einem so außergewöhnlichen Schluss?«
»Ganz einfach, Senhor. Ich habe Informationen, die Sie nicht haben. Ich habe Informationen, mit denen Sie eine Menge Geld verdienen können. Ich habe in der Tat Informationen, die Sie vor dem Ruin retten werden. Ich muss zwar befürchten, dass Sie zu töricht sind, um sie anzunehmen, aber nichtsdestotrotz bin ich bereit, Sie Ihnen zu geben.«
»Und für diese Informationen
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