Der Kaffeehaendler - Roman
wenn man nicht einmal dem eigenen Bruder trauen kann. Das war bei Ihrem Volk wohl immer so. Schauen Sie sich nur Kain und Abel an.«
»Kain und Abel waren keine Juden«, erwiderte Miguel gereizt, »sie waren bloß die Söhne von Adam und als solche Ihre Vorfahren genauso wie meine.«
»Ich werde mich hüten, je wieder Ihre Schrift zu zitieren. Aber was Ihren Bruder angeht, kann ich nichts sagen. Ich weiß, dass er oft mit Parido zusammen ist, doch das wissen Sie ja selbst. Sie wollen wissen, ob er gegen Ihre Interessen handelt, aber das kann ich nicht sagen.«
»Und der Schweinskopf? Paridos Tat oder Ihre?«
Joachims Lippen teilten sich nur ein wenig. »Wir beide«, sagte er.
Miguel kostete es kurz aus, dass er Recht gehabt hatte. Daniel hatte Miguel für den Übeltäter gehalten, der solche Schrecken über sein Haus brachte, dabei war der Parnass der Übeltäter. »Wie konnte Parido so dumm sein, in Ihrer Gegenwart über all das zu sprechen? Er hätte Sie ebenso gut gleich mit der Information zu mir schicken können.«
»Das hätte er«, sagte Joachim. »Ich würde mich an Ihrer Stelle auch wundern. Aber mir ist nicht klar, was er gewinnen würde, wenn er Ihnen diese Information zukommen ließe. Sobald die Sea Lily eingelaufen ist, dürfte es ein Leichtes sein, einen Matrosen dafür zu bezahlen, dass er eine Kiste aufbricht und Ihnen sagt, was drinnen ist.«
»Sie haben meine erste Frage noch nicht beantwortet. Warum sollte er Ihnen das alles verraten?«
»Das hat er nicht«, sagte Joachim. »Zumindest nicht absichtlich. Wer würde vermuten, dass ein verrückter Holländer die Sprache der portugiesischen Juden versteht?«
Miguel lachte gegen seinen Willen. »In einer Stadt wie Amsterdam«, wiederholte er das, was Joachim einmal gesagt hatte, »darf man nie davon ausgehen, dass jemand die Sprache, die man spricht, nicht versteht.«
»Das ist immer noch ein weiser Rat«, stimmte Joachim zu.
»Ich muss sehr gründlich nachdenken über das, was Sie mir erzählt haben.« Womöglich war das Ganze eine Lüge, sagte er sich. Eine weitere List Paridos. Aber was für eine List? Er konnte Nunes jetzt vor Gericht bringen, wenn er wollte; niemand würde es Miguel zum Vorwurf machen, wenn er die Angelegenheit nicht dem Ma’amad anvertraute. Hätte Parido Joachim wissentlich solch wichtige Informationen gegeben?
Miguel schaute Joachim an, der nun wieder ganz der Alte war – zappelig und nervös, aber kein Verrückter. Es musste stimmen, sagte er sich. Ein gesunder Mensch konnte Wahnsinn vortäuschen, einem Wahnsinnigen dagegen war es gleich, ob seine Umwelt ihn für verständig hält. Geld hatte Joachim wieder zur Vernunft gebracht.
»Dann denken Sie nach«, sagte Joachim. »Doch Sie müssen mir Ihr Wort geben. Falls Sie sich entscheiden zu verwerten, was ich Ihnen erzählt habe, und dabei Gewinn herausschlagen, überlassen Sie mir dann zehn Prozent Ihres Profits?«
»Wenn ich feststelle, dass Sie mir die Wahrheit gesagt und ehrenvoll gehandelt haben, tue ich es mit Freuden.«
»Dann bin ich zufrieden.« Joachim stand auf. Er schaute Miguel einen Moment lang an.
Miguel öffnete seinen Geldbeutel und reichte ihm ein paar Gulden. »Vergeuden Sie nicht alles im Wirtshaus«, sagte er.
»Was ich damit mache, ist meine Sache«, erwiderte Joachim trotzig. Auf der Treppe blieb er auf halbem Weg stehen. »Und Sie können es von den zehn Prozent abziehen, wenn Sie wollen.«
Dann verabschiedete er sich, doch Miguel folgte ihm, da ihm der Gedanke nicht gefiel, Joachim könnte ohne Begleitung im Haus herumwandern, ins Erdgeschoss hinauf. Oben angekommen, hörte er das Rascheln von Röcken, ehe er die davoneilende Hannah sah. Die Panik, die sich in seiner Brust ausbreiten wollte, schwand gleich wieder. Hannah sprach kein
Wort Holländisch; sie mochte lauschen, so viel sie wollte, sie würde kein Wort verstehen.
Nachdem Miguel Joachim zur Tür gebracht hatte, erwartete Hannah ihn jedoch im Flur. »Dieser Mann«, sagte sie leise. »Das war derjenige, der uns auf der Straße angegriffen hat.«
»Er hat Sie nicht angegriffen«, antwortete Miguel erschöpft und mit einem kurzen Blick auf die Schwellung ihres Bauches, »aber ja, es ist derselbe Mann.«
»Was verbindet Sie mit einem solchen Teufel?«, fragte sie.
»Leider etwas Teuflisches.«
»Ich verstehe nicht.« Sie sprach leise, trat aber mit ungekannter Selbstsicherheit auf. »Glauben Sie, Sie dürfen an meinem Verstand zweifeln, nur weil Sie mein Geheimnis
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