Der Kaffeehaendler - Roman
sie in die Kaffeeschenke in der Plantage gehen sollen. Es wäre angemessener gewesen und hätte es Joachim gewiss erleichtert, sich zu konzentrieren. Aber sie hatten ihn den Treffpunkt auswählen lassen, und hier waren sie nun zu dritt – zwei von ihnen durch ihre Bärte deutlich als Juden zu erkennen – in einem winzigen Raum voller betrunkener Holländer, die sie anstarrten und auf sie zeigten. Einer kam herüber und inspizierte Miguels Haupt, indem er ihm vorsichtig den Hut abnahm und, als er fertig war, wieder aufsetzte.
Joachims Monate der Entbehrung nötigten ihn, jetzt alles Bier zu trinken, das jemand zu spendieren bereit war, sodass er bereits eine Stunde nach Beginn ihres Treffens nuschelte und Schwierigkeiten hatte, auf seiner Bank auszuharren.
Es erstaunte Miguel, wie wenig er sich über Joachim ärgerte. Nun, da er, wie Joachim es formuliert hatte, nicht mehr verrückt war, zeigte er eine gewinnende Warmherzigkeit, die Miguel noch nie bei ihm erlebt hatte. Er lachte über Alferondas
Scherze und nickte zustimmend zu Miguels Vorschlägen. Er hob seinen Humpen, um auf sie beide und auf »alle anderen Juden« zu trinken, und das ohne Ironie in der Stimme. Er behandelte Miguel und Alferonda wie Männer, die ihn an Bord ihres Schiffes gehievt hatten, als er schon glaubte, er müsse untergehen.
Nun saßen sie beisammen und planten; alle drei hatten zu viel getrunken. Es würde nicht mehr lange dauern, nur noch wenige Wochen, dann mussten sie ihrer Aufgabe gewachsen sein. Sie würde sie belasten und eine Plage sein, aber sie war zu schaffen.
»Ich verstehe«, sagte Joachim, »wieso wir kaufen und verkaufen, was niemand kaufen und verkaufen will. Ich verstehe dagegen nicht, wie wir etwas verkaufen sollen, das wir nicht besitzen. Wenn dieser Nunes Ihre Früchte an Parido verkauft hat, wie können wir dann durch Verkäufe auf den Preis einwirken?«
Miguel hatte hierüber eigentlich nicht sprechen wollen, denn es war der heikelste Teil. Er würde tun müssen, was er sich geschworen hatte, an der Börse nie zu tun – eine Methode praktizieren, die, wie verzweifelt er auch sein mochte, immer der Gipfel des Wahnsinns bleiben würde.
»Durch einen Windhandel «, erklärte Alferonda, den holländischen Begriff verwendend.
»Ich habe gehört, dass die gefährlich sind«, meinte Joachim. »Dass nur ein Narr so etwas probieren würde.«
»Stimmt beides«, sagte Miguel. »Deshalb werden wir ja auch Erfolg damit haben.«
Der Windhandel oder so genannte Leerverkauf. Eine anschauliche Bezeichnung für das riskante und illegale Unterfangen, etwas zu verkaufen, das man nicht besaß. Die Bürger der Stadt hatten es verboten, da es Chaos an der Börse auslöste. Es hieß, dass jeder, der einen Windhandel tätigte, sein
Geld ebenso gut gleich in die Amstel werfen könnte, denn diese Verkäufe konnten leicht für ungültig erklärt werden, wenn der Käufer Beweise lieferte. Dem Verkäufer blieb dann weniger als nichts für seine Mühe. Aber bei ihrem Kaffeegeschäft würden sie einen Vorteil haben: Der Käufer hatte sich selbst zu viel zuschulden kommen lassen, sodass er es nicht wagen würde, den Verkauf anzufechten.
Später, als sie ihre Besprechung beendet hatten, ging Alferonda, und Miguel und Joachim blieben allein am Tisch sitzen. Hier war er nun, dachte Miguel, und trank mit einem Mann, den er noch vor wenigen Wochen mit Freuden erwürgt hätte.
Joachim musste Miguels Gedanken gelesen haben. »Ihr schmiedet doch kein Komplott, oder?«
»Natürlich tun wir das«, erwiderte Miguel.
»Gegen mich, meine ich.«
Miguel lachte. »Glauben Sie wirklich, dass all das – diese Treffen, diese Pläne – dazu dienen soll, Sie zu beschwindeln? Dass wir so viel in Ihre Vernichtung investieren, dass wir solche Spielchen treiben? Sind Sie sicher, dass Sie Ihren Wahn überwunden haben?«
Joachim schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es ein Komplott gegen mich ist. Natürlich nicht. Doch ich frage mich, ob ich auf dem Altar Ihrer Rache geopfert werden soll.«
»Nein«, sagte Miguel leise, »wir sind nicht darauf aus, Sie zu überlisten. Wir haben uns mit Ihnen zusammengetan und viel mehr von einem Verrat Ihrerseits zu befürchten als umgekehrt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie wir Sie opfern sollten.«
»Mir fallen einige Möglichkeiten ein«, sagte Joachim, »aber die behalte ich für mich.«
Als Miguel in den Flur trat, wusste er, dass Daniel nicht daheim sein konnte. Das Haus war in der Dämmerung
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