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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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schattig
geworden, und der einladende Duft nach Zimt erfüllte die Luft. Hannah stand am anderen Ende des Korridors, um ihn zu begrüßen, und die Kerze, die sie in der Hand hielt, spiegelte sich in den schwarz-weißen Fliesen des Fußbodens wider.
    Es lag nicht an ihrer Kleidung, denn sie trug den üblichen Schal und das schwarze, unförmige Gewand, das die inzwischen unleugbare Wölbung des in ihr wachsenden Kindes erkennen ließ. Es war die Ausdrucksstärke ihres Gesichts, die Art, wie ihre dunklen Augen im Kerzenlicht glänzten und sie ihr Kinn vorreckte. Sie stand ungewöhnlich still, die Brust nach vorn gedrückt, wie um deren Schwere zu betonen, und in seinem betrunkenen Zustand fühlte er sich benommen vor Verlangen.
    »Es scheint Wochen her zu sein, dass wir miteinander geredet haben, Senhor«, sagte sie.
    »Ich probiere an der Börse etwas aus. Das nimmt viel Zeit in Anspruch.«
    »Und es wird Sie reich machen?«
    Er lachte. »Das hoffe ich von ganzem Herzen.«
    Sie schaute minutenlang, so kam es ihm vor, zu Boden. »Darf ich mit Ihnen sprechen, Senhor?« Mit vorgestrecktem Arm die Kerze haltend, sodass sie aussah wie ein Gespenst auf einer Lichtung, führte sie Miguel ins Wohnzimmer und stellte die Kerze in einen der Leuchter. Eine weitere Kerze war angezündet, und der Raum schimmerte in dem flackernden Licht.
    »Wir müssen bald wieder ein Mädchen einstellen«, sagte sie, während sie sich setzte.
    »Sie sind offenkundig zu beschäftigt, um Kerzen anzuzünden«, bemerkte Miguel, der ihr gegenüber Platz nahm.
    Sie stieß einen Schwall Luft aus, ein halbes Lachen. »Machen Sie sich über mich lustig, Senhor?«
    »Ja, das tue ich, Senhora.«
    »Und warum?«

    »Weil wir Freunde sind, Sie und ich«, sagte er.
    Miguel sah ihr Gesicht nicht deutlich, meinte aber, so etwas wie ein Lächeln zu erkennen. Es war schwer zu sagen. Was wollte sie von ihm in diesem schwach beleuchteten Zimmer? Wenn Daniel nun durch die Tür käme und sie fände, wie sie sich aufrappelten, um Kerzen anzuzünden und ihre Kleider abklopften, als hätten sie sich zusammen in Sägemehl gewälzt?
    Er hätte fast laut aufgelacht. Wenn er in diesem späten Stadium seines Lebens noch erfolgreich werden wollte, musste er aufhören, sich etwas auszumalen, das nicht sein durfte. Er war zu alt, um Gulden zu verspielen, die er nicht hatte, oder aus einer Laune heraus in Waren zu investieren. Ich bin ein erwachsener Mann, sagte er sich, und dies ist meine Schwägerin. Mehr ist nicht daran.
    »Sie wollten mit mir über etwas reden?«, fragte er.
    Ihre Stimme brach, als sie zum Sprechen ansetzte. »Ich möchte mit Ihnen über Ihren Bruder reden.«
    »Was ist mit meinem Bruder?« Sein Blick schweifte kurz zu ihrem Bauch.
    Ein Moment des Zögerns. »Er ist nicht im Haus«, sagte sie.
    Als er ein Junge war, hatten Miguel und seine Freunde einen Lieblingsfelsen, von dem sie in die Wasser des Tejo sprangen. Sie stürzten sich um fünffache Manneslänge hinab. Wer wusste schon, wie weit es wirklich war, aber im Kitzel kindlicher Erregung schien es die halbe Strecke bis zur Ewigkeit. Miguel erinnerte sich an das wirbelnde und erschreckende Gefühl von Freiheit, als stürbe man und schwänge sich zugleich empor.
    Ohne sich zu bewegen, verspürte er jetzt dasselbe Entsetzen, dieselbe Erregung. Seine Eingeweide verknoteten sich, seine Körpersäfte schossen ihm ins Gehirn. »Senhora«, sagte er. Er erhob sich, weil er so schnell wie möglich entfliehen wollte,
doch sie musste ihn missverstanden haben. Sie erhob sich ebenfalls und trat auf ihn zu, bis sie nur noch wenige Zentimeter entfernt war. Er konnte ihren süßen Moschusduft riechen, die Hitze ihres Atems spüren. Ihre Blicke begegneten sich, und sie langte mit einer Hand nach oben und zog den Schal vom Kopf, sodass ihr dichtes Haar um die Schultern wallte.
    Miguel hörte, wie er tief Luft einsog. Die Bedürfnisse seines Körpers würden ihn verraten. Noch vor einem Moment war er so entschlossen gewesen. Diese schöne, begierige Frau konnte nicht, so rief er sich ins Gedächtnis zurück, noch schwangerer werden, als sie schon war. Ihr Körper strahlte eine Wärme aus, die ihn einfing. Miguel wusste, dass er nur die Hand auf ihren Arm zu legen oder ihr über das Gesicht oder ihr Haar zu streichen brauchte, dann würde nichts anderes mehr zählen. Er würde sich im rücksichtslosen Taumel der Sinne verlieren. All seine Entschlossenheit würde sich in Luft auflösen.
    Und warum sollte er nicht nachgeben?,

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