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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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erzählen?«, fragte sie keck, während sie ihre Röcke im Raum herumschwirren ließ wie ein kleines Mädchen beim Spielen. Vielleicht wollte sie, dass er sah, was für sie ihr ganzer Staat war: ihre Möbel, ihre Bänder, im Zimmer verstreut, als hätte sie Hunderte davon, ihre süßen Früchte. Sie konnte jederzeit einen Apfel oder eine Birne essen. Sie konnte essen, so viel sie wollte. Der Vorrat schien nie zu Ende zu gehen. Sie bewohnte diese zwei Zimmer – zwei! – im neuesten Stadtviertel, während manche Menschen in feuchten Kellern auf einer sumpfigen Insel mitten in einem stinkenden Kanal hausten.
    »Du solltest es mir erzählen«, erwiderte er mit härterer Stimme, »weil ich dich gefragt habe, aus keinem anderen
Grund. Aber wenn du willst, kann ich dich auch für deine Antworten bezahlen.«
    »Wenn Sie mich dafür bezahlen«, bemerkte sie, »gebe ich Ihnen womöglich die Antwort, die Ihnen meiner Meinung nach gefällt, damit Sie glauben, Sie hätten Ihr Geld gut angelegt. Denen, die mir Geld geben, gefalle ich gerne.« Da sagte sie sicherlich die Wahrheit.
    »Dann antworte mir auf meine Frage, denn ich bin immer freundlich zu dir gewesen.«
    »Ja, sehr freundlich.« Sie lachte erneut. »So eine Freundlichkeit wie Ihre findet man in den Hosen eines jeden Mannes in dieser Stadt, aber das ist wohl auch egal. Sie wollen wissen, ob mich jemand dafür bezahlt hat, dass ich Sie bespitzele. Ja, das hat jemand getan. Es ist kein Verrat, wenn ich das sage – jedenfalls glaube ich das nicht, denn ich wurde nicht so bezahlt, wie man es mir versprochen hatte, und wenn ich schon nicht mein Geld bekomme, kann ich mich doch wenigstens rächen.«
    »Wer hat dich bezahlt?«
    »Nun, Ihre Freundin, die Witwe«, sagte sie, »die reizende Madame Damhuis. Sie hat mir zehn Gulden dafür versprochen, dass ich ein Auge auf Sie und dieses arglistige Luder, die Senhora, habe. Waren Sie zu ihr auch freundlich?«
    Der Besucher ließ sich nicht ködern. »Was genau solltest du tun?«
    »Nur darauf achten, was über sie im Haus gesagt wurde. Ich sollte die Senhora davon abhalten, über ihre Begegnungen mit Madame zu sprechen. Sie meinte, Sie dürfen keinen Verdacht schöpfen, und das würden Sie auch nicht – so lange ich Ihnen meine Gunst gewährte. So lange, sagte sie, wären Sie dumm wie eine Kuh, die zum Schlachter geführt wird.«
    »Was bezweckt sie?«, fragte er. »Warum wollte sie, dass du das tust?«
    Annetje zuckte mit einem übertriebenen Anheben der
Schultern, das den Ausschnitt ihres Gewandes aufs Köstlichste vergrößerte, die Achseln. »Ich weiß es nicht, Senhor. Das hat sie mir nie gesagt. Sie gab mir bloß ein paar Gulden und versprach mir mehr, doch diese Versprechungen waren Lügen. Meiner Ansicht nach neigt die Frau zum Lügen. Sie sollten vorsichtig sein.«
    Annetje bot ihrem Gast die Schale mit den Datteln an. »Möchten Sie einen von meinen Leckerbissen?«
    Der Kaufmann lehnte ab. Er dankte dem Mädchen nur und ging.
     
    So verlief das letzte Gespräch zwischen Miguel Lienzo und dem ehemaligen Dienstmädchen seines Bruders. Es ist traurig, wie schlimm diese Geschichten ausgehen können. Er und Annetje waren monatelang sehr intim miteinander gewesen, doch echte Zuneigung hatte es nie gegeben. Er wollte nur ihren Körper und sie sein Geld. Eine betrübliche Grundlage für eine Beziehung zwischen Mann und Frau.
    Und woher weiß Alferonda all das? Wie kann er über die vertraulichen Worte schreiben, die in einem obskuren Mietshaus im Jordaan gesprochen wurden? Alferonda weiß Bescheid, weil er alles mitgehört hat – er lag im Nebenzimmer auf der groben Matratze des Mädchens.
    Vor kurzem erst hatte ich einige der Leckerbissen genossen, die sie Miguel anbot. Sie erzählte ihrem Besucher genau das, was ich ihr aufgetragen hatte. Natürlich hatte Madame Damhuis dem Mädchen nie einen Stuiver gezahlt und es ihr auch nie versprochen. Sie hatte nie ein Wort mit ihr gewechselt, bis auf das eine Mal, als sie die Senhora in der Hoogstraat ansprach.
    Annetje hatte die ganze Zeit über in meinen Diensten gestanden, und es war mein Wunsch gewesen, dass Senhora Lienzo mit Miguel nicht über die Witwe sprach. Dass sie es zu guter Letzt doch tat, sollte sich als unwesentlich erweisen.

30
    Miguel hatte Isaiah Nunes’ Briefe seit Wochen ignoriert, und das mit einer gewissen Selbstgerechtigkeit, seit er erfahren hatte, dass Nunes mit Parido gemeinsame Sache machte. Aber dann war in seinem Schreiben immer öfter vom Ma’a-mad

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