Der Kaffeehaendler - Roman
eine Hand voll Stuiver denn etwas, Joachim? Wenn es so ist, gebe ich sie Ihnen herzlich gern. Ich dachte, ein so kleiner Betrag würde Sie nur beleidigen.«
»Das würde er«, schnauzte der andere. »Ein paar Stuiver gegen die fünfhundert, die Sie mir genommen haben?«
Miguel seufzte. Wie konnte ein Tag, der so verheißungsvoll begonnen hatte, so mühsam enden? »Meine finanzielle Situation ist momentan ein wenig ungeordnet, aber in einem halben Jahr werde ich im Stande sein, Ihnen etwas anzubieten – Ihnen zu helfen, wie Sie es vorgeschlagen haben, und ich werde es gern tun.«
»In einem halben Jahr?« Joachims Stimme war allmählich schrill geworden. »Würden Sie ein halbes Jahr lang auf mit Scheiße verschmiertem Stroh liegen und Haferschleim mit Pisse essen? Meine Ehefrau Clara, die ich glücklich und zufrieden zu machen gelobt habe, verkauft jetzt Pasteten in den Gassen hinter der Oude Kerk. In einem halben Jahr wird sie eine Hure sein. Ich habe versucht, sie bei Verwandten in Antwerpen unterzubringen, doch in dieser erbärmlichen Stadt
wollte sie nicht bleiben. Sie glauben, Sie können uns das Leben erleichtern, indem Sie von einem halben Jahr sprechen?«
Miguel dachte an Joachims Frau Clara. Er war ihr ein- oder zweimal begegnet, und sie verfügte über mehr Temperament und Verstand – und sicherlich mehr Schönheit – als ihr Mann.
Der Gedanke an Joachims hübsche Frau stimmte Miguel milde. »Ich habe nicht viel bei mir«, sagte er. »Aber ich kann Ihnen zwei Gulden geben, wenn das Ihren unmittelbaren Bedürfnissen zuträglich ist.«
»Zwei Gulden sind ein kümmerlicher Anfang«, sagte Joachim. »Ich betrachte sie als Anzahlung auf die fünfhundert, die ich verloren habe.«
»Ich bedaure, dass Sie sich geschädigt fühlen, aber ich habe mich um meine Geschäfte zu kümmern. Ich will nichts mehr hören.«
»Was für Geschäfte sind das?«, fragte Joachim und stellte sich Miguel in den Weg. »Geschäfte ohne Geld?«
»Ja, deshalb ist es auch in Ihrem Interesse, dass Sie meine Arbeit nicht behindern.«
»Sie sollten nicht so unfreundlich zu mir sein«, sagte Joachim, der jetzt Portugiesisch mit starkem Akzent sprach. »Ein Mann, der alles verloren hat, kann nichts mehr verlieren.«
Vor einiger Zeit, als sie noch wesentlich besser miteinander ausgekommen waren, hatte Miguel einmal etwas auf Portugiesisch vor sich hin gemurmelt, und Joachim hatte ihn damit überrascht, dass er in derselben Sprache antwortete. Dann hatte er gelacht und zu Miguel gesagt, in einer Stadt wie Amsterdam dürfe man nie davon ausgehen, dass die Sprache, die man spricht, nicht verstanden wird. Vielleicht bediente Joachim sich jetzt des Portugiesischen, um seine Vertrautheit mit den Bräuchen des portugiesischen Volkes anzudeuten,
und sein Wissen um die Macht des Ma’amad. Sollte das eine Drohung sein, ein Hinweis darauf, dass Joachim, falls er nicht bekam, was er wollte, dem Ältestenrat verraten würde, dass Miguel für Nichtjuden makelte?
»Sie können mir nicht drohen«, sagte er auf Holländisch.
Joachim streckte die Hand aus und versetzte Miguel einen Stoß. Die Geste wurde ohne Kraft ausgeführt; sie war eher verächtlich – lediglich ein kleiner Schubs, der ausreichte, um Miguel anderthalb Schritte zurücktreten zu lassen. »Ich fürchte«, sagte er, Miguels Akzent nachäffend, »Sie werden bedroht.«
Miguel wusste nicht, was er sagen sollte. Es war schlimm genug, dass Joachim ihm mit dem Ma’amad drohte, doch dass er ihm mit Gewalt drohte, war mehr, als er ertrug. Aber was konnte er tun? Abgesehen davon, dass er keine Lust hatte, sich mit einem Wahnsinnigen zu prügeln, durfte Miguel keine gewalttätige Auseinandersetzung mit einem Holländer riskieren. Der Ma’amad hätte ihn ohne Zögern verstoßen. Daheim in Lissabon wäre er kaum davor zurückgeschreckt, diesen Tropf blutig zu schlagen, doch hier waren ihm die Hände gebunden.
Als Joachim sah, dass Miguel zögerte, fletschte er mit animalischem Grinsen seine Zahnstummel.
Miguel bemerkte um sich her die Blicke vorbeigehender Fremder: ein ordentlich gekleideter Jude, der mit einem Bettler stritt. Bei den neugierigen Portugiesen wäre das seltsame Paar von einer staunenden Menge umringt und das Geschehen mit Zwischenrufen kommentiert worden, als wäre dieser Konflikt ein Puppenspiel, das zu ihrer Belustigung aufgeführt wurde. Hier, bei den Holländern, die sich der Doktrin ihrer Reformierten Kirche verschrieben hatten, schauten die Neugierigen höflich
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