Der Kaiser des Abendlandes
wird, er wird vielleicht zum Kaiser gekrönt werden. Heinrich VII. aus Luxemburg ist vor etwa elf Jahren gestorben. Aber diese Namen sagen dir nichts, Suleiman. An wen also soll der Brief gehen?«
»An den Kaiser der Ungläubigen, den Herrscher des Abendlands – so zumindest will es mein Vater«, wiederholte Suleiman. »Er fordert ihn auf, zum Islam überzutreten. Er selbst will dann sein Statthalter in Jerusalem werden.«
Zum zweiten Mal stimmten die Freunde ein lautes Gelächter an.
Suleiman blieb ernst und fuhr erregt fort: »Ihr lacht. Mir ist es ernst. Mein Vater ist überzeugt, dass es einen Kaiser des Abendlands gibt. Er denkt, ein Bote mit dem Brief ist nur ein, zwei, höchstens drei Monate unterwegs. Er glaubt fest daran, dass ihm der Kaiser antwortet.«
»Wenn wir gemeinsam nachdenken, fällt uns sicherlich etwas ein«, sagte Sean. »Der Kaiser könnte zum Beispiel gerade von Zypern aus in See gestochen sein und bald in Akkon oder Askalon landen. Das würde die Zeit verkürzen. Und Suleiman könnte einen entsprechenden Antwortbrief aufsetzen.«
»Ihr seid zwei junge, liebenswerte Halunken«, sagte Joshua und nickte Suleiman und Sean freundlich zu. »Aber habt ihr euch schon einmal gefragt, ob ihr mit eurem Tun nicht ein sehr gefährliches Spiel beginnt?«
»So vieles im Leben beruht auf Täuschung«, brummte Henri. »Warum sollte man sie nicht auch einmal für eine gute Sache einsetzen? Man muss allerdings geschickt vorgehen, wenn man erfolgreich sein will. Was machen wir mit dem jungen Pilger?«
Sean schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Wir befreien ihn. So schnell wie möglich.«
»Dieser Abu Lahab ist der Vater der Schrecken!«, sagte Uthman mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen. »Er glaubt, einen Kaiser mit dem Leben eines oder ein paar Juden in die Knie zwingen zu können.«
Joshua legte den Kopf schief und wedelte mit den dünnen Fingern.
»Wenn der Kaiser antworten würde, was dann? Wenn er schriebe, dass der Pilger freigelassen werden müsste?« Joshua redete, als läse er aus einem seiner kostbaren Bücher vor. »Oder was, wenn er Abu Lahab befehlen würde, die junge Christin mit seinem Sohn zu vermählen? Ein guter Plan, wisst ihr, besteht aus vielen einzelnen Zügen, wie ein gutes Schachspiel.«
»Und jeder Zug muss wohlbedacht sein«, stimmte Uthman zu. »Wann soll der Brief fertig sein? Wer ist der Bote?«
Suleiman blickte ratlos in die Runde, zog die Brauen in die Höhe und antwortete: »Wahrscheinlich Abdullah. Vater vertraut ihm am meisten. Oder sein Vertreter Nadschib ben Sawaq.«
Henri hatte sich leise mit Joshua beraten. Jetzt wandte er sich an Suleiman und sagte: »Es ist am besten, du gehst zu deinem Vater und schreibst diesen Brief. Bring uns eine Abschrift. Dann beraten wir, wie die Antwort lauten könnte. Das würde aber bedeuten, dass Abdullah den Kaiser in Askalon oder Akkon treffen müsste.«
Uthman stützte sein Kinn in die Hand und musterte Henri schweigend und mit vielsagenden Blicken. Schließlich deutete er auf seinen Freund und zog den Kopf zwischen die Schultern.
»Wenn du, mein Henri, dein schimmerndes Kettenhemd, alle Waffen und den herrlichen Mantel anlegst, wenn wir dein Aussehen ein wenig verändern und uns eine Ausrede einfallen lassen – denn ein Kaiser des Abendlands reist mit großem, prächtigem Gefolge –, würdest du einen überzeugenden Kaiser abgeben. Oder etwa nicht?«
»Eine kühne Idee, Uthman«, sagte Henri. »Reitet denn dein Vater selbst nach Askalon? Oder jener furchtbare Abdullah?«
Joshua kicherte in sich hinein. Suleiman blickte verwirrt von einem Gesicht zum anderen. Henri schüttelte den Kopf und sprach zögernd weiter. »Ich als Kaiser? In Askalon? Allein oder mit einem von euch als Schutz? Das wäre ein gewagtes Spiel, aus dem schnell tödlicher Ernst werden könnte.«
»Ich glaube, Abdullah wird der Bote sein. Wenn mein Vater ihn schickt, würdest du vielleicht drei, vier Männern gegenüberstehen…«
»Das sollten wir uns lange und sehr gut überlegen«, gab Uthman zu bedenken. Sein Gesicht drückte ernsthafte Zweifel aus. »Wenn wir es geschickt anstellen…«
Suleiman sprang auf und sagte: »Ich gehe und schreibe diesen verrückten Brief so gut ich es vermag. Denkt über den Plan nach. Es kann sein, dass uns mein Vater mit einem neuen Einfall überrascht. Was ich weiß, erfahrt ihr so bald wie möglich.« Er blickte Henri an und nickte. »Abdullah kennt dich und jeden in diesem Haus. Es wird nicht leicht
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